PaD 42 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 42 2024 Die Kluft zwischen arm und reich x
Heute mal nichts Tagesaktuelles. Stattdessen, aus Anlass des wirtschaftlichen Niedergangs Deutschlands und der sich daraus ergebenden neuen Verteilungskämpfe, in denen die Sozialisten das Schwert der Gerechtigkeit schwingen werden, um mehr „Teilhabe“ zu erkämpfen, gibt es heute nur Triviales.
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Die Kluft zwischen arm und reich
Davon haben Sie schon gehört, von dieser Kluft zwischen arm und reich. Wo ist sie so plötzlich hergekommen?
Ach? Die gibt es schon immer, diese Kluft? Das ist aber überraschend!
Nein. Dass es diese Kluft schon immer gibt, das ist nicht überraschend. Überraschend, oder besser „erstaunlich“, ist es, dass diese Kluft, die es schon beim Bau der Pyramiden gegeben hat, immer noch nicht als das angesehen wird, was sie nun einmal ist:
absolut normal und unvermeidlich.
Bitte, bitte … Halten Sie mit Ihrem Aufschrei inne! Das ändert doch nichts.
Natürlich ist es heutzutage üblich, alles, was einen Unterschied ausmacht, als falsch anzusehen und Anläufe zu unternehmen, es zu verändern. Es ist dadurch nur selten etwas besser geworden. Oder ist es besser, dass sich Männer nun entscheiden können, als Frau gelesen und behandelt zu werden? Ist es besser geworden dadurch, dass anonyme Denunzianten nun sogar nicht strafrechtlich relevante Sachverhalte bei Meldestellen kundtun können? Ist es besser geworden dadurch, dass Energie massiv verteuert wurde, und zwar sowohl die aus regenerativen Quellen als auch die aus konventionell fossilen Quellen? An Beispielen alleine aus den drei Ampeljahren herrscht fürwahr kein Mangel.
Und, nein, das ist nichts ganz anderes. Die Kluft zwischen arm und reich ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie das Leben im Allgemeinen und die menschliche Gesellschaft im Besonderen funktionieren. Ich kenne jedenfalls keine Gesellschaft, in der es keine Unterschiede gäbe. Unterschiede, die letztlich allesamt auf eine Unterscheidung in arm und reich hinauslaufen. Es geht da ja nicht nur um Geld, obwohl Geld ein Kriterium ist, an dem der Unterschied in vielen Fällen gemessen werden kann.
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Der Hauptgewinn in der Lotterie der Gene
Tut sich nicht schon zwischen einer natürlichen Schönheit, die von allen bewundert wird, und einer durchschnittlich hübschen Frau eine Kluft auf? Nennen wir die Ursache für diesen Unterschied der Einfachheit halber „Schicksal“, was es ermöglicht, weder der Schönen, noch der weniger Schönen die Verantwortung für ihr Aussehen zuzuschreiben. Die Verantwortung, die man den unterschiedlichen Frauen zuschreiben könnte, besteht darin, dass sie aus ihren Gaben das Beste machen sollten, meinetwegen sogar das Beste zum Wohle der gesamten Gemeinschaft. Die Schöne wird es leicht haben, als Model oder als Schauspielerin aufzutreten und zumindest weite Teile der Gesellschaft mit ihrem Anblick zu beglücken. Die Schöne wird es auch relativ leicht haben, einen der erfolgreichen, gesunden jungen Männer für sich zu gewinnen, der ihr materiellen Wohlstand garantieren kann. Die Durchschnittliche wird den Beruf als Model oder Schauspielerin wahrscheinlich gar nicht in Erwägung ziehen, sich aber möglicherweise dafür entscheiden, der Gemeinschaft als Ärztin oder Pflegerin zu dienen. Vielleicht wird sie aber auch Steuerberaterin, Programmiererin, Friseuse oder Fußballnationalspielerin. Heiraten wird sie dann wahrscheinlich jemanden aus ihrem beruflichen Umfeld, vielleicht auch eine Bekanntschaft aus ihren Freizeitaktivitäten, und beide werden zusammenlegen, um sich das zu gönnen, was sie sich leisten können.
Ziehen wir an dieser Stelle einen ersten Strich: Was wäre möglich, um diese Kluft zu überwinden?
Prinzipiell gibt es zwei Wege der Angleichung, den von oben nach unten und den von unten nach oben.
Die Durchschnittliche könnte versuchen, zu ähnlicher Schönheit zu gelangen, wie die natürlich Schöne. Mit Hilfe von Chirurgen, Stylisten und Kosmetika lässt sich da viel erreichen. Doch das, was die Schöne kostenlos erhalten hat, muss die andere, die sich angleichen will, mit Geld, Zeit und schmerzhaften, riskanten Eingriffen bezahlen. Die Ungleichheit verschwindet nicht, sie verlagert sich nur.
Der Weg von oben nach unten bestünde womöglich darin, dass sich die Schöne eine schiefe Nase hinoperieren lässt, um den Unterschied auszugleichen. Das wird sie allerdings, solange sie bei klarem Verstand ist, niemals in Erwägung ziehen. Da müssten schon Kulturrevolutionäre kommen, die ja zum Beispiel auch den Klavierspielern die Finger gebrochen haben, um die Unterschiede aufzuheben, oder die Vordenker christlicher Orden, die von den Nonnen fordern, sich nur in sackartigen Gewändern und mit unvorteilhaften Kopfbedeckungen in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Wem ist damit geholfen, Schönheit entweder künstlich vorzutäuschen oder absichtlich zu verbergen?
Natürlich hat Schönheit sehr viel mit Partnerwahl zu tun. Betrachten wir also nicht die Möglichkeit des Geldverdienens, die ja bekanntlich nur bedingt glücklich machen kann, sondern die Wirkungen auf die Partnerwahl. Nehmen wir an, es gäbe in einer Gesellschaft auf dem Heiratsmarkt in jedem Jahr rund 1.000 herausragender Schönheiten und 99.000 nur durchschnittlich Schöne. Es gäbe zugleich in jedem Jahr rund 1.000 besonders erfolgreiche, gesunde junge Männer, die sich verpaaren möchten und dazu 99.000 weniger erfolgreiche und/oder weniger gesunde junge Männer, die sich ebenfalls verpaaren möchten. Es ist nicht schwer, vorherzusagen, dass die 1.000 Schönheiten und die 1.000 Erfolgreichen mit einer Abweichung von vielleicht fünf Prozent zueinander finden werden.
Wer dies nicht nachvollziehen kann, dem sei empfohlen, sich mit dem Wiener Opernball als der rituelle Begegnungsstätte der Auswahl von Schönen einerseits und Reichen andererseits zu beschäftigen, insbesondere auch mit dem so genannten Debütieren.
Schöne und Erfolgreiche stehen für das bewusste „reich“ auf der einen Seite der Kluft, durchschnittlich Schöne und weniger Erfolgreiche stehen auf der anderen Seite der Kluft. Was ändert sich, wenn die Schönen und die Erfolgreichen alle äußeren Zeichen ihrer Schönheit und ihres Erfolgs auf dem Heiratsmarkt vollständig verbergen und damit die Partnerwahl auf anderen Kriterien und dem Zufall beruht? Wie viele, der 100.000 Frauen werden einen erfolgreichen, gesunden jungen Mann bekommen? Wie viele der 100.000 Männer werden eine der natürlichen Schönheiten abbekommen?
Es werden auf beiden Seiten wiederum nur 1.000 sein, die das „große Los“ ziehen.
An der Kluft hat sich nichts verändert, lediglich die Zusammensetzung der Paare verändert sich. Von den 1.000 Schönheiten werden nur 10 einen erfolgreichen, gesunden jungen Mann abbekommen, und von den 1.000 erfolgreichen, gesunden jungen Männern werden nur 10 mit einer der Schönheiten zusammenkommen. Auf die 99.000 durchschnittlich Schönen entfallen 990 erfolgreiche, gesunde junge Männer, so dass exakt eine von hundert dieses Glück haben kann.
Bitte behalten Sie dieses Beispiel in Erinnerung. Was hier aufgrund einer zufälligen oder schicksalhaft erworbenen Eigenschaft ausgeführt wurde, trifft nämlich gleichermaßen auch überall da zu, wo man gerne die finsteren Mächte der Ungerechtigkeit für die Kluft zwischen arm und reich verantwortlich machen will.
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Vom Tellerwäscher zum Millionär
Diese Traumkarriere stand lange Zeit beispielhaft für Amerika, als dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dabei lässt sich ausgerechnet daran trefflich über die Begrenztheit der Möglichkeiten fabulieren.
Tellerwäscher, das ist so ziemlich der niedrigste Rang, der in der Küche eines guten Restaurants zu besetzen ist. In weniger guten Restaurants gibt es den Spezialisten für das Tellerwaschen gar nicht, nur Küchenhilfen, die vom Kartoffelschälen bis zum Tellerwaschen überall da eingesetzt werden, wo es gerade erforderlich ist.
Beginnen wir am unteren Ende der Pyramide, stellen wir fest, dass die Zahl der Tellerwäscher, gemessen an der Gesamtbevölkerung doch recht klein ist. Daraus schließen wir, dass „Tellerwäscher“ nur stellvertretend für die ganze Breite schlecht bezahlter, mühsamer Jobs steht, dass also auch der Schuhputzer und die Klofrau, der Türsteher und der Müllmann, der Paketzusteller und die Zeitungsfrau und viele, viele andere mitgemeint sein müssen. Alle, die in solchen Berufen angefangen haben, sollen also die Chance haben, ein Millionär zu werden, der im teuren Restaurant vom blitzblanken Teller essen kann, ohne je noch selbst einen Teller spülen zu müssen.
Um es vorweg zu nehmen, die Story läuft darauf hinaus, die Kluft zwischen arm und reich zu verstetigen.
Der Millionär am Tisch im Restaurant und der Tellerwäscher im schmutzigen Bereich der Restaurantküche bedingen sich gegenseitig. Für jeden Tellerwäscher, der Millionär geworden ist, muss ein neuer Tellerwäscher nachrücken – denn niemand verirrt sich noch ins teure Restaurant, wenn der Hummer dort auf auf einem Teller serviert wird, an dem sich noch angetrocknete Reste vom Essen des vorherigen Gastes befinden. Andererseits braucht es auch den Tellerwäscher nicht mehr, wenn die Gäste ausbleiben.
Nun aber zum oberen Ende der Pyramide. Unterstellen wir – in Verfolgung des amerikanischen Traumes – dass der klassische Millionär der so genannte Selfmademan ist, der sich irgendwie in einem Großunternehmen hochgearbeitet oder ein eigenes rentables Unternehmen gegründet hat. So einer ist „Chef“. Das heißt, er steht in einer Hierarchie in einem der oberen Ränge, während „unter ihm“ eine größere Zahl von Angestellten nach seinen Anweisungen arbeitet. Ein Chef ohne Untergebene ist schwer vorstellbar und keinesfalls die Regel.
In den alten, klassischen Linienorganisationen war der Begriff der Führungsspanne sehr wichtig. Wieviele Mitarbeiter führt eine Führungskraft, wieviele kann, wieviele sollte sie führen? Das hat viel mit der Komplexität der Aufgabe und der Qualifikation der Mitarbeiter zu tun, wobei die Führungsspanne mit zunehmender Komplexität und Qualifikation zwangsläufig sinkt. Beispielhaft sei eine Organisation angenommen, in der unter einem Vorstand drei Bereichsleiter, unter jedem Bereichsleiter vier Abteilungsleiter, unter jedem Abteilungsleiter fünf Gruppenleiter und unter jedem Gruppenleiter 10 Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung arbeiten. Das sind also 600 Sachbearbeiter, 60 Gruppenleiter, 12 Abteilungsleiter, 3 Bereichsleiter und der große Boss. Gehaltsmäßig sieht das in etwa so aus, dass die einfachen Mitarbeiter monatlich 3.000 Euro verdienen, die Gruppenleiter 5.000 Euro, die Abteilungsleiter 9.000 und die Bereichsleiter 15.000 Euro. Der Boss zahlt sich selbst monatlich 50.000 Euro.
Da ist sie doch schon wieder, die Kluft zwischen arm und reich.
Die ließe sich ganz leicht beseitigen, wenn die monatliche Lohnsumme von 2,303 Millionen Euro gleichmäßig auf alle, einschließlich Chef verteilt würde. Der Brutto-Lohn läge dann für alle bei 3.407 Euro. Sie wissen, was dann passieren würde. Alle Bereichs- und Abteilungsleiter und mehr als die Hälfte der Gruppenleiter würden zum nächstmöglichen Termin die Kündigung einreichen. Ersatz dafür wäre nicht zu finden. Nach einem halben, spätestens nach einem Jahr müsste der große Boss Insolvenz anmelden.
Das, so merken Sie jetzt an, sei ja gar nicht die Kluft, die Sie meinen.
Dass Unterschiede in Qualifikation, Aufgabe und Verantwortung honoriert werden müssen, das sehen Sie ja ein. Der Unterschied müsste vielleicht nicht so krass sein, aber dass nicht einfach alle den gleichen Lohn erhalten können, unabhängig davon, was sie leisten, das sei schon in Ordnung.
Sie meinen den Bürgergeldempfänger in Deutschland, und, was noch schlimmer ist, die Näherin in Bangladesch. Da müsste doch dringend etwas getan werden, schon wegen der Menschenwürde, wobei das Lieferkettensorgfaltsgesetz ja nur ein Anfang und ein Tropfen auf den heißen Stein sein könne. Vor allem müsse etwas für die Bildung und Ausbildung getan werden, damit die Menschen bessere Chancen haben, einen besser bezahlten Job zu bekommen.
Sehen Sie, das Millionenheer der Näherinnen in Asien entspricht sowohl den nur durchschnittlich Schönen aus dem ersten Beispiel als auch dem Tellerwäscher aus dem zweiten.
So, wie es nicht beliebig viele erfolgreiche, gesunde junge Männer für alle heiratswilligen Frauen gibt, gibt es in Bangladesch auch nicht beliebig viele wirklich gute Jobs. Die gibt es übrigens auch nicht in Rumänien, nicht in Polen und nicht in Deutschland. Mehr als drei Bereichsleiter, 12 Abteilungsleiter und 60 Gruppenleiter sind bei 600 Sachbearbeitern einfach nicht erforderlich. Nirgends auf der Welt.
So wie der Tellerwäscher, wenn er sich aufmacht, Millionär zu werden, durch einen anderen Tellerwäscher ersetzt werden muss, muss auch die Näherin, die den Aufstieg geschafft hat, durch eine andere Näherin ersetzt werden. Sonst gehen in Deutschland die T-Shirt und die Jeans aus.
Das, so merken Sie nun an, sei ja alles richtig. Aber es sei doch keinesfalls gerecht, ja sogar extrem ungerecht, der Näherin für ihre Arbeit, wohlgemerkt an sechs Tagen pro Woche mit 14 Stunden pro Tag, monatlich nur rund 60 Euro Lohn auszuzahlen. Sie sind dafür, dass wir alle unseren Kleidungskonsum auf ein vernünftiges Maß zurückfahren, also mindestens halbieren, dafür aber 10 Euro, statt 5 Euro für das T-Shirt bezahlen, dann könnte man doch den Näherinnen den doppelten Lohn zahlen, und uns würde das auch nicht mehr kosten.
Sorry. Irrtum.
Man könnte vielleicht der Hälfte der Näherinnen den doppelten Lohn zahlen. Die andere Hälfte wäre schlagartig arbeitslos, weil die Hälfte der Klamotten auch mit der Hälfte der Näherinnen hergestellt werden könnte.
Dann sollen die halt nur noch fünf Tage und acht Stunden pro Tag arbeiten. Dann reicht die Arbeit wieder für alle.
Ja, ja. Dann bekommen aber auch alle wieder nur 60 Euro Lohn pro Monat.
Sie meinen jetzt, dann könnten wir doch noch weniger Klamotten kaufen und noch mehr dafür bezahlen?
Ich bitte Sie! Ein Denkfehler wird nicht dadurch richtig, dass er wiederholt wird. Weniger Klamotten heißt weniger Arbeit. Zum Exzess getrieben würde das wohl bedeuten, wenn wir gar keine Bekleidung mehr kaufen, könnten alle Näherinnen in Bangladesch monatlich 1.000 Euro Lohn erhalten. Wovon denn?
Sie lassen einfach nicht locker. Wir dürften dann halt doch nicht weniger kaufen, aber trotzdem das Doppelte für die Kleidungsstücke bezahlen. Dann ginge es den Frauen in Bangladesch besser.
Abgesehen davon, das muss hier der Ordnung halber endlich auch erwähnt werden, dass davon kaum etwas in Bangladesch ankommen würde: Das reißt doch bei uns ein Loch ins begrenzte Budget. Viele Deutsche haben es gar nicht so dicke, dass sie sich das leisten könnten. Sie sprachen vorhin auch von den Bürgergeldempfängern, wie sollen die das denn bezahlen?
Ach so, wegen der Gerechtigkeit und zur Verringerung der Kluft zwischen arm und reich müsse das Bürgergeld sowieso massiv angehoben werden. Dann reicht das auch wieder für den höheren Lohn der Näherinnen in Bangladesch?
Abgesehen davon, dass das schöne Geld, sollte es doch bei den Näherinnen in Bangladesch ankommen, sich in der Inflation verflüchtigen würde, betrachten Sie die Sache doch einmal so herum:
Unsere sechs Millionen Bürgergeldempfänger erhalten monatlich 60 Euro mehr, mit der Maßgabe dieses Geld für zusätzliche Bekleidung auszugeben, damit sechs Millionen Näherinnen in Bangladesch 120 statt nur 60 Euro Lohn erhalten könnten. Das ist monatlich ein Batzen von 360 Millionen Euro der letztlich von den Steuerzahlern aufgebracht werden muss. Es wäre staatliche Umverteilung von den Arbeitnehmern in Deutschland an die Armen in Bangladesch. Das alleine liegt weit außerhalb dessen, was unsere Regierung vernünftigerweise veranlassen sollte, um nicht mit ihrem Amtseid ins Gehege zu kommen. Das Lieferkettensorgfaltsgesetz ist übrigens bereits ein großer Schritt in diese Richtung …
Es ist aber auch für sich alleine betrachtet schon ein ziemlicher Blödsinn. Bangladesch ist nun einmal die Nähstube der Welt, nach Deutschland geht nur ein überschaubarer Teil, dessen was dort genäht wird. Niemand wird eine Fabrik nur für den Export nach Deutschland errichten und dort nur Näherinnen beschäftigten, die mit aus dem deutschen Steuersäckel mitfinanzierten 120 Euro Monatslohn bezahlt werden. Es bräche ein Verteilungskampf um die deutschen Steuergroschen aus, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Möglicherweise verlieren die Nähbetriebe in Bangladesch in dessen Verlauf alle Kunden, weil das Nähen dort zu teuer geworden ist. Dann werden die Nähmaschinen eben anderswo aufgebaut, vielleicht in Afrika.
Sie sind immer noch überzeugt, es handle sich um Ausbeutung und der müsse nun, schon wegen der Würde des Menschen, endlich ein Riegel vorgeschoben werden?
Sie können es nennen, wie immer Sie wollen. Es ist nicht zu ändern.
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Artengesellschaft, Biotop und arbeitsteiliges Wirtschaften
Tatsächlich stehen wir vor dem Phänomen, das wir an anderer Stelle „Biotop“ oder, richtiger, gleich „Nahrungskette“ nennen.
Milliarden von Kleinstlebewesen in jeder Handvoll Erde schließen den Boden in ununterbrochener Tag- und Nachtarbeit für die Pflanzen auf. Diese Kleinstlebewesen kommen und gehen, ohne dass je ein Hahn danach kräht, außer sie fehlen in der arbeitsteiligen Wirtschaft des Biotops, denn dann geht das gesamte Biotop zu Grunde. Es führt aber ebenfalls ins Desaster, wenn man versuchen würde, das Los der unzähligen Kleinstlebeweses dadurch zu erleichtern, dass man den Boden mit speziellen Nährstoffen für diese düngt. Sie würden sich zuerst sicherlich wie verrückt vermehren, doch dann wäre die Masse an überzähligen Kleinstlebewesen so groß, dass sie von permanenen Düngergaben abhängig, ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachkommen und sogar den Boden verderben könnten. Fiele die Nährstoffdüngung weg, müssten sie zugrunde gehen, weil das natürliche Nährstoffangebot bei Weitem nicht mehr ausreicht, um die Masse zu erhalten.
Ist der Boden jedoch gesund, durchpflügen Würmer und Insektenlarven die Erde und tragen zu ihrer Fruchtbarkeit und Lockerung bei. Vögel und Wühlmäuse stellen ihnen nach. Andere Tiere fressen die Pflanzen, andere Tiere fressen diese Tiere. Am Ende der Nahrungskette stehen die großen Räuber. Nimmt man diese weg, bricht das Biotop ebenfalls zusammen, wenn es nicht gelingt, ein neues Gleichgewicht und eine ganz andere Artengemeinschaft aufwachsen zu lassen.
Nimm die Reichen aus der menschlichen Gesellschaft heraus, und die Gesellschaft verliert Führung und Orientierung zugleich. Es mag noch nicht schlimm sein, wenn die Werften keine Yachten mehr bauen, weil es keine Reichen mehr gibt, die sie kaufen. Es mag noch nicht schlimm sein, wenn die Sterneköche von der Bildfläche verschwinden, weil die Kundschaft ausbleibt. Aber nicht nur die Luxushersteller gehen ein. Da passiert auf einer ganz anderen Ebene noch viel mehr:
Die großen Konzerne treiben führungslos dahin, auch wenn nur die oberste Management-Ebene fehlt. Es gibt keinen Anreiz mehr für Investitionen. Es gibt auch kein Wagniskapital mehr. Es wird weitergewurstelt und letztlich abgewickelt. Das setzt sich fort bis tief in die Zuliefer-Unternehmen. Übrig bleiben kleine Handwerker, denen jedoch bald die Industrieprodukte fehlen, die sie bisher verbaut haben.
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Menschen sind anders
Ja. Sie haben vollkommen recht. Man darf Menschen, auch wenn sie fürchterlich arm sind, nicht mit Mikroorganismen vergleichen. Das gehört sich einfach nicht.
Nicht nur, weil im Grundgesetz etwas von der unantastbaren Würde des Menschen steht, sondern aus einem tiefen Empfinden für Unterschiede heraus. Mikroben sind nun einmal keine Menschen, auch wenn ihre Arbeit noch so wichtig für das Leben auf dem Planeten ist. Die können einfach nichts anderes, und sind sich dessen nicht einmal bewusst.
Menschen sind anders. Menschen haben Potential. Selbst wenn sie tatsächlich nichts anderes können als zum Beispiel nähen, könnten sie im Prinzip doch alles. Das ist in den Menschen grundsätzlich so angelegt. Deswegen soll jeder Mensch alles haben, was alle anderen auch haben, erst dann wird sich jeder auch selbst verwirklichen können, und nicht nur die Reichen.
Das ist eine schöne Vorstellung. Das will ich gar nicht bestreiten. Vorstellen kann ich mir das auch.
Allerdings habe ich damit die gleichen Schwierigkeiten, die ich mit den naiven Vorstellungen vom Paradies habe. Als Engelchen harfespielend auf einer Wolke zu sitzen und ab und an Hossiannah! zu rufen, umgeben von einer Unzahl gleichartiger Wolken mit ebensolchen Engelchen drauf – das würde mich wahrscheinlich spätestens am zweiten Tag extrem langweilen.
Die Sache mit der Selbstverwirklichung, für die erst einmal absolute Gleichheit geschaffen werden muss, ist doch innerhalb einer Generation bereits vollständig wieder zerstört, wenn die Menschen sich selbst verwirklichen. Die werden doch, wenn es um Selbstverwirklichung geht, nicht alle auf ihren Wolken sitzen, Harfe spielen und Hossiannah! rufen. Die werden alle etwas tun, die meisten jedenfalls. Ganz Unterschiedliches werden sie tun. Das wird zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Manche werden versuchen ins Buch der Rekorde aufgenommen zu werden, indem sie den Rekord im ununterbrochenen Handstand zu brechen versuchen. Manche werden sich als Gourmets versuchen und als Restauranttester durch die Lande ziehen, was aber – unglücklicherweise – davon abhängt, dass andere wiederum diese Restaurants eröffnet haben und dort Gäste bedienen. Die Küche des Restaurants hängt davon ab, dass tägliche frische Lebensmittel eingekauft werden können. Es braucht also Händler, Ackerbauer, Viehzüchter – und natürlich Tellerwäscher.
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Arbeitsteiliges Wirtschaften
Es ist frappierend! Sobald auf dieser Welt einer damit beginnt, etwas Nützliches zu tun, bilden sich um ihn herum hierarchieähnliche Strukturen von nutznießenden Mittätern.
Betrachten Sie unter diesem Blickwinkel einfach einmal Ihren Hausarzt. Der hat sich in den Kopf gesetzt, etwas Nützliches für die Gemeinschaft zu tun, ein paar Jahre lang studiert, ein paar Jahre lang als Assistenzarzt in einer Klinik gearbeitet, dazwischen seinen Doktor gemacht und dann seine eigene Praxis eröffnet.
Sitzt er da alleine unter dem Blätterdach einer Eiche am Waldesrand?
Nein. Da finden sich mindestens ein halbes Dutzend Mitarbeiter, meist Mitarbeiterinnen, die die Praxis am Laufen halten und dem Arzt die Zeit freischaufeln, um jeden Tag möglichst viele Patienten untersuchen zu können. Das ist das direkte Umfeld. Was wäre aber der Allgemeinarzt in Deutschland ohne die Organisation der Krankenkassen? Was wäre er ohne den Apotheker? Was wäre er ohne jene Menschen, die ihm die Manschette und das Stethoskop gebaut hätten, mit denen er bei jedem Patienten den Blutdruck misst? Es ist ein riesiges, und tatsächlich weltumspannendes Netz, in dem der Hausarzt, von seinem Blickwinkel aus, einen „Mittelpunkt“ bildet, auf den alles zuläuft.
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Das Wesen des arbeitsteiligen Wirtschaftens ist die Spezialisierung
Das ist eine Binsenweisheit. Der Spezialisierung geht jedoch die Entscheidung dafür voraus, und der Entscheidung folgt die Vorbereitung, ein zielgerichtetes Handeln, an dessen Ende zum Beispiel der Facharzt für Orthopädie mit der eigenen Praxis stehen soll. Gelingt das, dann wird er ebenso, wie der Hausarzt im vorangegangenen Beispiel ein Zentrum eines Netzes von Abhängigkeiten sein, die alle auf ihn zulaufen. Seine Arbeit ist daher nicht nur für seine Patienten wichtig, nicht nur für die Angestellten seiner Praxis, sondern eben auch für alle, deren Leistungen er direkt und indirekt in Anspruch nimmt, vom Hersteller medizinischer Geräte bis zum Angestellten der Krankenkasse, der seine Abrechnungen bearbeitet.
Was aber geschieht, wenn die Praxis schlecht läuft. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben, auf die ich gar nicht eingehen will, im Ergebnis sieht es aber so aus, dass die Einnahmen nicht ausreichen, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten. Der Facharzt wird seine Kosten reduzieren müssen. Wenn die Auslastung der Praxis gesunken ist, wird er sich wahrscheinlich leicht von einer seiner Angestellten trennen können. Die fällt von einem Tag auf den anderen in die Arbeitslosigkeit, zählt also praktisch schon zu den Armen, während der Arzt immer noch „reich“ bleibt.
Wir erkennen, dass die Spezialisierung des Arztes „tragfähiger“ ist als die Spezialisierung der medizinisch-technischen Assistentin. Wir könnten, wenn wir genauer hinsehen, ebenfalls erkennen, dass die Kraft, die der Arzt entlassen hat, genau diejenige ist, die am wenigsten zum wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beigetragen hat. Ob das an ihren Kenntnissen und Fähigkeiten gelegen hat oder an ihrer Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit oder an ihren Umgangsformen spielt keine Rolle. Der Arzt weiß, die Trennung von dieser Kraft ist für ihn und seine Praxis am einfachsten zu verkraften.
Das ist überall so, längst nicht nur bei Ärzten. Jeder Unternehmer, jeder Chef, geht nach diesem Prinzip vor, wenn es um Entlassungen geht. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche. Wenn es um Neueinstellungen geht, wird der Bewerber den Job bekommen, von dem anzunehmen ist, dass er – nach Abzug der Kosten für sein Gehalt – den meisten Nutzen für das Unternehmen erbringen wird.
Es ergeben sich also überall, wo Menschen zusammenarbeiten, ganz automatisch Rangreihen der Nützlichkeit, die sich in den Rangreihen der Einkommen weitgehend widerspiegeln. Aus dieser Aufspreizung ergibt sich die viel gescholtene Kluft zwischen arm und reich.
Theoretisch, aber nur theoretisch, könnten alle Menschen sich freiwillig genau an der Stelle in die jeweilige Hierarchie einbringen, an der sie ihre Nützlichkeit optimal einbringen könnten. Praktisch stehen dem unzählige Hindernisse entgegen, die nur an den Endpunkten der Skala praktisch keine Rolle spielen. Auf der Seite von „reich“ gibt es – wie bei den natürlichen Schönheiten – nur wenige der anspruchsvollen Postionen und nur wenige der in Frage kommenden Bewerber. Die kommen zusammen, auch über Ländergrenzen hinweg. Man kennt sich. Auf der Seite von „arm“ gibt es sehr viele Gelegenheiten für einfache Arbeiten, denen sehr viele in Frage kommende Bewerber gegenüberstehen, und es im Grunde fast egal ist, wer welchen Job macht.
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Die viel beschworene vertikale Durchlässigkeit
Wie beim Weg des Tellerwäschers zum Millionär steht der vertikalen Durchlässigkeit mehr als alles andere die Tatsache im Wege, dass oben sehr viel weniger Platz ist als unten. Volkswagen braucht nicht 120.000 Vorstände, Deutschland braucht nicht 80 Millionen Bundeskanzler. Die katholische Kirche braucht nicht eine Milliarde Päpste. Volkswagen braucht Zehntausende Arbeiter am Band, Deutschland braucht Millionen wertschöpfender Steuerzahler, die Kirche braucht ihre opferbringenden Gläubigen.
Wo die viel beschworene Chancengleichheit mit hohem Aufwand hergestellt wird, handelt es sich zumeist um eine maßlose Verschwendung von Ressourcen.
Wenn unser Schul- und Bildungswesen, unter dem Aspekt der Chancengleichheit dazu führt, dass dem Handwerk der Nachwuchs fehlt, während Akademiker aus dem MINT-Bereich ins Ausland gehen, und die Absolventen eher sonderbarer Studiengänge ihr Heil in der Politik suchen, müssen zumindest Zweifel an diesem System angemeldet werden, das an die Stelle eines Systems der frühen Auswahl, bzw. Auslese getreten ist.
Hier mit dem Argument der Gerechtigkeit zu hantieren, ohne diese Gerechtigkeit jedoch herstellen zu können, ist das Handwerk verantwortungsloser Verführer. Wir werden niemals alle Arbeiterkinder in der ersten und zweiten Management-Ebene beschäftigen können, auch wenn das noch so gerecht wäre. Dass aus den Reihen der Arbeiterkinder niemand aufgestiegen wäre, in höhere Positionen, weil sie es geschafft haben, in der Rangreihe der Nützlichen einen vorderen Platz einzunehmen, kann niemand ernstlich behaupten. Aber eben nicht alle. Nicht alle, weil es nicht alle schaffen, den Grad an Nützlichkeit zu erreichen, und nicht alle, weil für alle gar kein Bedarf besteht. Wer sollte denn die Arbeit machen, wenn alle im Managersessel sitzen?
Wenn die Antwort darauf lautet: Die Näherinnen in Bangladesch, dann beißt sich der Hund an dieser Stelle schmerzhaft in den Schwanz.
Die Kluft zwischen arm und reich ergibt sich naturgesetzlich aus dem Streben der Menschen, das aus dem Zustand der überschaubaren Gleichheit der Sammler und Jäger in materieller Armut herausgeführt hat. Ohne wieder in diesen Zustand allgemeiner Armut und Unsicherheit zurückzufallen, lässt sich diese Kluft nicht schließen.
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Gleich arm sein können alle – gleich reich sein nicht.
Selbst wenn diese Erde nicht einen, sondern eine Milliarde Elon Musks zugleich hervorgebracht hätte – wieviele Tesla-Fabriken, wie viele Starlink-Satelliten gäbe es dann wohl?
Wie eingangs gewarnt. Nur Triviales in diesem Aufsatz.
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