Ganz unscheinbar kommt sie daher, die Fitness-Idee. Fit sein wird heute allgemein gleichgesetzt mit gesund und glücklich. Tatsächlich ist es ein weiterer Schritt auf dem Weg der Entmenschlichung.
Stark aber seelenlos
Mit Fitness meine ich konkret: jemand geht in ein Fitnessstudio und bekommt einen Trainingsplan. 30 Minuten Stepper, so und so viele Sätze an Maschine X oder Y, dann noch etwas Spinning vielleicht. Allen empfohlenen Aktivitäten ist gemeinsam, dass sie ohne großes Bewusstein ausgeführt werden. Es ist ja auch endlos öde, stundenlang immer gleiche Bewegungen zu vollführen. Deshalb hängen auch überall Fernsehmonitore, oder Leute setzen ihren Walkman auf.
Was soll daran jetzt so schlimm sein, fragst Du Dich vielleicht? Das Fett schmilzt ja und Muskeln werden straff!?
Das ist schon richtig, nur fördert dieses „nicht bei der Sache sein“, und das heute so beliebte „Abschalten“ und „mechanische Tun“ eben Teilnahmslosigkeit. Denn für unser Seelenkostüm ist es extrem wichtig, mit wachen Sinnen teilzunehmen an allem, was wir tun!
Sind wir uns einig, liebe Leserinnen und Leser, dass Rücksicht, Taktgefühl oder Aufrichtigkeit zu den erstrebenswerten, menschlichen Tugenden gehören? Schön, dann stellt sich nur die Frage, ob man diese Tugenden einfach hat, als charakterliche Anlage und erziehungsbedingt, oder…
Rücksicht muss genommen werden
Das Wörtchen Rücksicht-nahme finde ich da weiterführend, denn es macht klar, dass wir Rücksicht aktiv nehmen müssen. Und wer viel am Schreibtisch arbeitet weiß, wie schnell wir uns in gebeugter Haltung wiederfinden. Da müssen wir die Schultern aktiv straffen und uns auf-richten. Das geschieht nicht von allein! Es ist eine Tat, die einer Entscheidung entspringt.
Es gibt unzählige Beispiele dieser Art, die auf das Mysterium verweisen, um das es bei der Hilflosigkeit von Säuglingen ging. Im Unterschied zu unseren Tiergeschwistern haben wir eben keine arttypischen Instinkte, die unseren Körper oder unser Verhalten weise steuern.
Stattdessen haben wir ein Bewusstsein unserer selbst, ein Einsichtsvermögen und vor allem ein Gewissen.
Bergziegen müssen nicht darüber nachdenken, wie und wo sie ihre Beine setzen; das geht tatsächlich automatisch. Wir Menschen hingegen müssen unseren Körper erst entdecken und uns tüchtig anstrengen, die Herrschaft über unsere Gliedmaßen zu erlangen. Auch wenn wir es vergessen haben: stehen lernen, laufen oder springen war ein langer und anstregender Bewusstseins-Prozess!
Es ist auch erforscht worden, dass die Funktionsfähigkeit unseres Gehirns (Hirnreife) direkt von den Bewegungen abhängt, die wir mit unseren Händen vollführen. All die Kinderspiele, aber auch Klatschen, Stricken, Häkeln oder Töpfern, also das mühselige Ringen um Geschicklichkeit, bildet unser Gehirn. Fehlen solche Betätigungen, wie heute üblich, werden wir unsere Kapazitäten nie voll ausschöpfen können.
Da diese Zusammenhänge bekannt sind, müsste doch eigentlich alles getan werden, um die reichhaltige Spielekultur wiederzubeleben, Elternseminare zu geben oder abwechlungsreiche und anspruchsvolle Bewegungsarten zu fördern – wie etwa Volkstänze, die mit einem großen Repertoire an oft schwierig auszuführenden Schritten auffallen, verbunden mit Klatschen und Singen.
Warum werden sie nicht gefördert, stattdessen aber Fitnesskurse, monotone Laufveranstaltungen etc.?
Warum wird offenbar alles dafür getan, um Menschen zu automatisierten, mechanischen Bewegungen zu veranlassen, z.B. in der Fitness-Industrie?
Der Lockruf der Maschine
Und damit nicht genug: jetzt wird allerorten die Werbetrommel dafür gerührt, dass sich Menschen an Maschinen ankoppeln sollen. Also nicht mehr selber denken, und sorgfältig Wahr und Falsch abwägen, sondern das gottgeschenkte Unterscheidungsvermögen durch Algorhythmen ersetzen.
Die Idee ist nicht neu,sondern geistert als Transhumanismus schon eine Weile durch die Köpfe. Sie macht deutlich, wie sehr vergessen wurde, was „des Menschen würdig ist“, ja was ein Mensch ist. Und sie ist die konsequente Fortsetzung der unseligen Entwicklung, die mit Darwin ihren Anfang nahm. Ich habe sie in meinen Grundlagen-Artikeln 1-7 ausführlich beschrieben.
Fazit
Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder darauf besinnen, was uns zu Menschen macht, und weshalb wir hier sind. Sicher brauchen wir einen Ausgleich für die Bewegungsarmut in unserer Gesellschaft, müssen wir uns mehr bewegen. Doch bitte nicht bewusstlos und mechanisch, sondern typisch menschlich: mit Tanzen, Springen, Wandern, begleitet von Gesang und Freude.