16. Dezember 2024

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Wie reagiert Lateinamerika auf die neue Situation in Syrien?

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Vorwürfe gegen Europa wegen Unterstützung der HTS-Dschihadisten aus wirtschaftlichen Gründen. Plädoyer für territoriale Einheit und Achtung der Charta der Vereinten Nationen

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Argentinier syrischer Herkunft bei einer Kundgebung für Frieden in Syrien im Jahr 2013

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Bogotá/Brasília/Havanna et al. Mehrere lateinamerikanische Regierungen haben ihre Besorgnis über die jüngsten Ereignisse in Syrien zum Ausdruck gebracht. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro kritisierte „die Unterstützung der Taliban durch Europa“.

Er warf Westeuropa vor, sich aus wirtschaftlichen Interessen hinter die Dschihadistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) gestellt zu haben, die er als „Taliban“ bezeichnete: „Das große westliche und demokratische Europa unterstützt die syrischen Taliban nur, weil sie es ihm ermöglichen werden, die Gaspipeline zum Mittelmeer mit Gas aus Katar, den Emiraten und Saudi-Arabien zu bauen, ohne die vom Iran kontrollierte Straße von Hormus passieren zu müssen.“

Ähnlich argumentierte der Ex-Präsident Boliviens Evo Morales. Er bedauerte die schwierige Situation für die Menschen in Syrien und kritisierte den Globalen Norden: „Wieder einmal startet der Westen einen militärischen Feldzug, um Regierungen zu stürzen, die sich nicht an seine Pläne halten. Früher nannte man sie ‚Terroristen‘, heute nennt man sie ‚Rebellen‘. Die Regierungen, die sie finanzieren, sind nur hinter ihren natürlichen Ressourcen her.“

Petro sieht in der europäischen Unterstützung für HTS eine Verschiebung der globalen geopolitischen Allianzen. Letztlich handele es sich um eine „große globale Allianz der fossilen Wirtschaft“. Er warnt vor den ethischen und politischen Folgen dieser Wende und erklärt, dass in diesem neuen internationalen Szenario „viele verraten werden“.

Kurz nach dem Einmarsch der vom UN-Sicherheitsrat als Terrororganisation eingestuften HTS in Damaskus und der Flucht von Präsident Baschar al-Assad aus dem Land stellte Petro auf X die Hypothese von neuen Allianzen und „neuen Verratenen“ als Hintergrund des Machtwechsels in Syrien auf. Er schrieb: „Russland gibt Baath-Regime in Syrien auf: Neue Allianz mit Trump?“

Laut Petro bedeutet die Machtübernahme der HTS einen Rechtsruck in Syrien in Richtung Fundamentalismus, ähnlich wie in Afghanistan, Irak und Libyen. Israel, so Petro, werde durch die Besetzung syrischer Gebiete weiter wachsen. „Die Palästinenser und die Kurden werden noch stärker isoliert. Vielleicht wird der Iran wie im Irak mehr schiitischen Einfluss haben. Neue Allianzen, neue Verratene“.

Anschließend stellte der kolumbianische Präsident neun Fragen darüber, was im Kontext der „neuen Allianzen“ kommen könnte. „Wohin wird das syrische Öl fließen? Werden der Panarabismus und seine säkulare Idee sterben?“

Das brasilianische Außenministerium äußerte sich seinerseits besorgt über die Lage in Syrien und forderte „alle beteiligten Parteien dringend auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und die Unversehrtheit der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur zu gewährleisten“.

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Brasilien bekräftigte „die Notwendigkeit der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts“ sowie „der territorialen Einheit Syriens und der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates“.

In Syrien sollen circa 3.500 Brasilianer:innen leben. Die brasilianische Regierung hat alle Staatsbürger:innen, die sich in Syrien aufhalten, aufgefordert, das Land zu verlassen.

Ähnlich reagierte das argentinische Außenministerium. Die Regierung warnte die Argentinier:innen davor, nach Syrien zu reisen. Sie empfahl den argentinischen Staatsangehörigen, das arabische Land „so schnell wie möglich zu verlassen“, solange die kommerziellen Fluggesellschaften noch aktiv seien.

Auch Kubas Präsident Miguel Díaz Canel zeigte sich „besorgt über die Entwicklungen in Syrien“. Die kubanische Regierung forderte „die Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität und der Unabhängigkeit Syriens sowie die Sicherheit der diplomatischen Vertretungen“.

Die „territoriale Einheit“, die „Achtung der Souveränität“ Syriens, die „Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen“ wurden auch von der venezolanischen Regierung in einem Kommuniqué gefordert. Sie drückte ihren „festen Wunsch“ aus, dass „das Brudervolk Syriens“ seine internen Differenzen ohne Gewalt und „ohne Einmischung von außen“ lösen könne. Dies schließe die friedliche Koexistenz „verschiedener religiöser, kultureller und ethnischer“ Gruppen ein.

Das Außenministerium Nicaraguas sprach sich für die Wahrung der Souveränität, Rechte, Stabilität und Frieden der syrischen Bevölkerung aus.

Die syrische Gemeinschaft in Chile forderte die chilenische Regierung auf, „ihr Engagement für die Souveränität und territoriale Integrität der Arabischen Republik Syrien zu bekräftigen“. Die „Töchter und Söhne“ Syriens in Chile wiesen auf die Zehntausende von Syrer:innen hin, die aufgrund der „vom Ausland unterstützten Angriffe“ der HTS fliehen mussten.

Die Regierung von Gabriel Boric äußerte sich „extrem besorgt“ über die Ereignisse in Syrien „nach dem Sturz des diktatorischen und repressiven Regimes von Baschar al-Assad“. Sie appellierte an „diejenigen, die das Land kontrollieren, jegliches Blutvergießen zu vermeiden und die Rechte der Zivilbevölkerung, insbesondere der Minderheiten, zu respektieren“.

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https://amerika21.de/2024/12/272944/reaktionen-lateinamerika-syrien-hts-asad

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