20. Januar 2025

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Das Waffenstillstandsabkommen erklärt

 

Nach 476 Tagen ist das Ende des israelischen Krieges gegen den Gazastreifen näher denn je, nachdem in Doha, Katar, ein Waffenstillstand und ein Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas angekündigt wurde. Das Abkommen tritt am kommenden Sonntag, den 19. Januar, in Kraft.

Der katarische Premierminister Mohammad Bin Abdul-Rahman Al Thani verkündete die Einigung am späten Mittwochabend, den 15. Januar, in Doha. Vorausgegangen waren tagelange, mit Spannung erwartete und intensivierte Gespräche in Doha, bei denen wichtige Durchbrüche in wichtigen Fragen erzielt werden konnten, die in früheren Gesprächsrunden als „unlösbar“ galten. Zu diesen Themen gehören die Zustimmung Israels zum Abzug seiner Streitkräfte aus den Korridoren Netzarim und Philadelphi sowie die Rückkehr der vertriebenen Palästinenser in ihre zerstörten Häuser im Norden des Streifens. Israel hatte in früheren Verhandlungen auf der Ablehnung beider Bedingungen bestanden, was den Krieg um Monate verlängerte.

Kurz vor der Bekanntgabe des Abkommens sagte der designierte US-Präsident Donald Trump in einem Beitrag auf Truth Social: „Wir haben ein Abkommen für die Geiseln im Nahen Osten. Sie werden in Kürze freigelassen.“ Leaks zufolge hat Trumps Gesandter Steve Witkoff Netanjahu direkt unter Druck gesetzt, seine Positionen zu ändern und das Abkommen zu akzeptieren.

Berichten zufolge umfasst das Waffenstillstandsabkommen zwei Phasen. Die erste Phase, die 42 Tage dauert, beinhaltet eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten und eine schrittweise Freilassung von israelischen Gefangenen im Gazastreifen im Austausch gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen. In dieser Phase werden die Hamas und andere palästinensische Gruppierungen 33 Israelis freilassen, die am 7. Oktober 2023 gefangen genommen wurden, darunter alle verbleibenden fünf Frauen, Personen über 50 Jahre und Kranke. Es ist bisher nicht bekannt, wer von ihnen noch am Leben ist. Gleichzeitig wird Israel Hunderte Palästinenser aus derselben Kategorie freilassen, insgesamt bis zu 1.000 Gefangene und Häftlinge.

Die israelische Armee wird am ersten Tag des Waffenstillstands damit beginnen, ihre Truppen aus den bewohnten Gebieten des Gazastreifens abzuziehen. Die Rückkehr der vertriebenen Palästinenser in den Norden wird am 7. Tag der Waffenruhe beginnen. Israel hat seine frühere Weigerung, die Rückkehr von Palästinensern in den Norden zuzulassen, sowie frühere Bestimmungen über Altersbeschränkungen aufgegeben. Die Vertriebenen, die nur zu Fuß zurückkehren, werden durchsucht, nicht aber diejenigen, die in Fahrzeugen zurückkehren. Die Vereinbarung sieht außerdem vor, dass in den ersten Tagen des Waffenstillstands täglich 600 Lastwagen mit humanitärer Hilfe eintreffen. Zu den Hilfsgütern, die in der ersten Phase eintreffen werden, gehören medizinische Hilfsgüter und notwendiges Material für den Wiederaufbau der zerstörten Krankenhäuser und Bäckereien.

Die Verhandlungen über die Einzelheiten der zweiten Phase werden am 16. Tag der Waffenruhe beginnen. In der zweiten Phase sollen die restlichen Gefangenen im Gazastreifen freigelassen werden, insbesondere Soldaten und Offiziere der israelischen Armee, sowie die restlichen Leichen der getöteten Gefangenen. Über die Namen und die Zahl der palästinensischen Gefangenen, die in dieser Phase freigelassen werden sollen, muss noch verhandelt werden. Diese Phase wird auch den Beginn des Wiederaufbaus im Gazastreifen umfassen. In der zweiten Phase wird Israel seinen Rückzug aus dem Gazastreifen abschließen und nur noch in einem 700 Meter breiten Streifen entlang des Zauns und in einigen Teilen des Philadelphi-Korridors, der entlang der Grenze zu Ägypten verläuft, eine militärische Präsenz aufrechterhalten;

Israel wird sich vollständig vom Grenzübergang Rafah zurückziehen. Vermittler aus den USA, Katar und Ägypten haben Garantien gegeben, um den Abschluss des israelischen Rückzugs zu gewährleisten. In der dritten Phase sollen Verhandlungen über eine dauerhafte Beendigung des Krieges geführt werden.

Bei der Bekanntgabe des Waffenstillstandsabkommens am Mittwoch dankte Katars Premierminister den USA, insbesondere Trumps Gesandtem Steve Witkoff, sowie den ägyptischen Vermittlern für ihre Hilfe bei der Erzielung des Abkommens. Er bekräftigte außerdem, dass Katar, Ägypten und die USA weiterhin Gespräche über die zweite und dritte Phase vermitteln und die Umsetzung überwachen werden.

Kurz nach der Ankündigung in Doha gab auch US-Präsident Joe Biden eine Erklärung ab, in der er betonte, dass das Abkommen die Freilassung von Gefangenen mit US-Staatsangehörigkeit sowie von kranken, älteren und weiblichen Gefangenen vorsehe. Er sagte auch, dass sein Team und die Bemühungen seiner Regierung, Israel militärisch zu unterstützen und die Hisbollah und den Iran zu schwächen, zu dem Abkommen geführt hätten.

Die Hamas ihrerseits erklärte in einer kurzen Erklärung, das Abkommen sei „die Frucht der legendären Standhaftigkeit unseres Volkes und seines Widerstandes“ und sei „ein Schritt in Richtung der Ziele unseres [palästinensischen] Volkes, der Befreiung und der Rückkehr [der Flüchtlinge]“.

In einer im Fernsehen übertragenen Rede sagte der Chef des Politbüros der Hamas, Khalil Al-Hayeh, dass das Waffenstillstandsabkommen nach „dem schrecklichsten Völkermord der modernen Geschichte“ zustande gekommen sei, „der ein Schandfleck auf der Stirn der gesamten Menschheit bleiben wird, insbesondere bei denen, die ihn mit Tonnen von Bomben und Waffen unterstützt haben.

Der israelische Staatspräsident Yitzhak Herzog brachte in einer im Fernsehen übertragenen Rede seine „Unterstützung für Premierminister Netanjahu und das Verhandlungsteam“ zum Ausdruck und forderte die Kabinettsmitglieder auf, für das Abkommen zu stimmen, das er für „die richtige Entscheidung“ hält. Netanjahus Kabinett wird am Donnerstag zusammenkommen, um über das Waffenstillstandsabkommen abzustimmen. In seiner Rede sagte Herzog, dass es „keine größere moralische, menschliche oder jüdische Verpflichtung gibt, als unsere Söhne und Töchter nach Hause zu bringen“, und bezog sich damit auf die israelischen Gefangenen in Gaza.

Vor Ort in Israel sorgte das Abkommen bereits vor seiner Ankündigung für Kontroversen. Die Familien der israelischen Gefangenen haben in Tel Aviv protestiert und die sofortige Freilassung aller Gefangenen gefordert. Einige Familienmitglieder protestierten auch während eines Treffens mit dem israelischen Kriegsminister Yizrael Katz und beschuldigten die israelische Regierung, sich die Gefangenen, die in der ersten Phase freigelassen werden sollen, herauszupicken.

Israels Premierminister Benyanin Netanjahu hat seit Montag eine Reihe von Treffen mit seinen politischen Verbündeten abgehalten, insbesondere mit seinem Finanzminister Bezalelel Smotrich und seinem Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, die sich lautstark gegen einen Waffenstillstand im Gazastreifen ausgesprochen und mehrfach mit ihrem Rücktritt gedroht haben, falls es zu einer Einigung kommt.

Am Dienstag bezeichnete Smotrich das Abkommen als „katastrophal“, während Ben-Gvir es als „Kapitulation vor der Hamas“ bezeichnete. Ben-Gvir forderte Smotrich auf, aus Protest gegen das Abkommen von der Regierung zurückzutreten. Ben-Gvir sagte auch, dass Netanjahu dank seines Drucks die Waffenstillstandsgespräche im vergangenen Juli sabotiert habe. Ben-Gvirs Aussagen widersprechen der Position Netanjahus und der USA, wonach die Hamas und nicht Israel für das Scheitern der Waffenstillstandsgespräche verantwortlich sei.
Während die Palästinenser in Gaza die Nachricht von der Waffenruhe feierten, verstärkten israelische Kampfflugzeuge kurz nach der Ankündigung der Waffenruhe ihre Angriffe auf den Gazastreifen, speziell auf Gaza-Stadt,bei dem innerhalb weniger Stunden Dutzende getötet wurden. Bis Mittwoch stieg die Zahl der seit Oktober 2023 von israelischen Streitkräften getöteten Palästinenser auf 4.6707 und 110.265 Verwundete, während 10.000 unter den Trümmern vermisst werden. Nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörden handelt es sich bei 70 % der Getöteten um Frauen, Kinder und ältere Menschen.

 

 

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