Seit dem blutigen Terroranschlag in Kaschmir kommt es an der indisch-pakistanischen Grenze immer wieder zu Scharmützeln zwischen den Grenztruppen beider Länder. In dem Disput um das Hochland geht es aber nicht nur um Religion, sondern vor allem um Wasser. Eskaliert der Konflikt?
Als Britisch-Indien unabhängig wurde und die beiden Staaten Indien und Pakistan (Bangladesch trennte sich später von Pakistan ab) hauptsächlich entlang der religiösen Grenzen entstanden, wollte der hinduistische Herrscher Kaschmirs das mehrheitlich von Moslems besiedelte Gebiet als unabhängiges Land regieren. Unter Druck entschied er sich dann jedoch zum Anschluss an Indien, was in Pakistan auf Ablehnung stieß. Seitdem kam es mehrfach zu blutigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern.
Moslem-Milizen führen zudem seit Jahrzehnten immer wieder Terroranschläge in der Region durch – so auch wieder vor wenigen Tagen. Dabei wurden sie in der Vergangenheit mehr oder weniger verdeckt durch pakistanische Behörden unterstützt. Die indische Regierung verurteilt dies. Doch in diesem Territorialkonflikt geht es um viel mehr als nur religiöse Dispute (die eher vorgeschoben werden). Vielmehr ist die Kaschmir-Region für die Wasserversorgung großer Teile Indiens und Pakistans von enormer Bedeutung.
Die jüngste einseitige Aussetzung des Indus-Wasservertrags (der im Jahr 1960 von der Weltbank vermittelt wurde) durch Neu Delhi wird von Islamabad als “Kriegshandlung” bezeichnet. Denn Indien kann dort Wasser umleiten und damit die Versorgung Pakistans stören. Das Ergebnis wären Missernten, Hungersnöte und Revolten. Mehr noch ist Pakistan seit der Inhaftierung des früheren Premierministers Imran Khan politisch gespalten und äußerst instabil. Bricht die Wasserversorgung zusammen, würde das Land wohl komplett ins Chaos stürzen.
Besonders bedenklich wäre es, würden irgendwelche radikalen Kräfte im Zuge solcher Unruhen an die Macht kommen. Immerhin ist Pakistan – wie auch Indien – eine Atommacht. Islamische Extremisten mit Atomwaffen? Das könnte aus Worten (Kriegsdrohungen) Taten werden lassen. Atomwaffeneinsatz inklusive. Schon jetzt droht Islamabad damit, das “volle Spektrum der nationalen Macht” gegen Indien einzusetzen, sollte Neu Delhi Pakistan tatsächlich das Wasser abdrehen.
Mehr noch ist Pakistan der “Underdog” im militärischen Kräftemessen mit dem Nachbarn. Aus dieser Position heraus wäre ein nuklearer Erstschlag die logische Konsequenz. Auf konventioneller militärischer Basis würde Islamabad einen solchen Krieg verlieren. Auch hat Pakistan eine Erstschlagsdoktrin, die besagt, dass bei einem Krieg mit einer anderen Atommacht sie eigenen nuklearen Arsenale zuerst eingesetzt werden. Zudem hat sich Peking bereits auf die Seite Islamabads gestellt und würde in diesem Fall eventuell ebenfalls militärisch eingreifen.
Auch wenn der jüngste Terroranschlag in Kaschmir als “kleiner Vorfall” erscheint – der erste Weltkrieg wurde schlussendlich durch das Abfeuern einer Kugel ausgelöst. Sozusagen ein Katalysator für über Jahrzehnte aufgebaute Spannungen. Noch besteht die Möglichkeit für eine Deeskalation – doch wenn nicht…
Wie groß ist die Gefahr eines Krieges zwischen Indien und Pakistan?