Was man bisher nur von Wohnungen oder Mietautos kannte, dürfte demnächst auch im Supermarkt zur Regel werden. In komplett KI-gesteuerten Test-Filialen verlangt Aldi von seinen Kunden eine Kaution. Die bekommt man schnell zurück – jedenfalls theoretisch.
„Shop & Go“: So nennt Aldi sein neues Versuchsprojekt. Europas zweitgrößter Discounter (der größte ist Lidl) testet das „kassenlose Einkaufen“ in Supermärkten ganz ohne Personal. Wo früher in den Filialen Menschen gearbeitet haben, soll nun alles von Künstlicher Intelligenz (KI) erledigt werden.
Die Abwesenheit von humanoiden Verkäufern und Kassierern in den Supermärkten ist nicht die einzige Neuerung. Recht spektakulär in Aldis KI-Testfilialen ist das Bezahl-Konzept: Statt am Ende des Einkaufs zahlt der Kunde nun schon beim Betreten des Ladens. Zwölf Euro Kaution werden fällig, noch bevor das erste Produkt im Einkaufswagen liegt.
Dafür muss man am Eingang die Karte vorzeigen. KI-gestützte Kameras verfolgen dann, was die Kunden aus den Regalen nehmen. Das bei Selbstzahler-Kassen sonst übliche Einscannen fällt weg. Am Ausgang wird automatisch eine Rechnung erstellt. Wer für weniger als zwölf Euro einkauft, bekommt die Rest-Kaution elektronisch erstattet.
So lautet die Theorie.
Doch in der Praxis funktioniert das noch nicht wirklich gut. Die Erstattung von überzahlter Kaution kann Tage dauern – oder auch noch länger. Kunden berichten außerdem, dass ihre Karten bei ein und demselben Supermarkt-Besuch mehrfach mit der Kaution belastet wurden.
Bisher testet Aldi seine menschenlosen KI-Filialen in den Niederlanden (Utrecht) und in Großbritannien (Greenwich). Doch natürlich ist fest vorgesehen, das Konzept auch in den deutschen Heimatmarkt zu bringen – um auch bei uns „den Kunden das bestmögliche Einkaufserlebnis zu bieten“.
Amazon macht schlechte Erfahrungen
Amazon-Boss Jeff Bezos hat mit ähnlichen Tests allerdings ziemlich Schiffbruch erlitten. „Just Walk Out“ hießen die Läden, die der US-Multi ebenfalls in Großbritannien ausprobierte. Doch der erfolgsverwöhnte Bezos musste die Erfahrung machen, dass im Einzelhandel der Mensch durch die Technologie nicht zu ersetzen war – jedenfalls noch nicht.
Der Supermarkt ohne Mitarbeiter steht und fällt mit der Technik, die vollautomatisch erfasst, welche Produkte die Kunden aus den Regalen nehmen. Doch diese Technik wollte bei Amazon trotz aller Finanzkraft einfach nicht fehlerlos funktionieren. Am Ende der Tests wusste sich das Unternehmen nicht mehr anders zu helfen und stellte mehr als 1.000 Mitarbeiter an, um sie in Indien vor Bildschirme zu setzen. Dort beobachteten sie, was die fehleranfälligen KI-Kameras in den britischen Test-Supermärkten filmten.
Dann listeten sie per Hand auf, welche Produkte die Kunden aus den Regalen genommen hatten. Kein Scherz.
Das Computer-Fachblatt „Futurzone“ zog eine gleichermaßen zutreffende wie ernüchternde Bilanz: „Die Kassierer wurden sozusagen einfach aus dem Geschäft entfernt und an einen anderen Ort auf dem Globus gesetzt, von wo aus sie die Käufer beobachten.“
Eine Überprüfung der KI-Kameras durch menschliche Kontrolleure war im Testbetrieb zwar vorgesehen. Doch sollten von jeweils 1.000 Einkäufen nur 50 derart gegengecheckt werden. Das wären fünf Prozent gewesen. Tatsächlich mussten aber von jeweils 1.000 Einkäufen in Großbritannien mehr als 700 in Indien nochmals geprüft werden. Das sind über 70 Prozent.
KI soll ja das Leben leichter machen und Kosten sparen helfen. Im Supermarkt klappt das noch nicht so gut.