Die Gasspeicher in Deutschland sind weitestgehend geleert, doch angesichts der zurzeit sehr hohen Preise ist eine Wiederauffüllung sehr kostspielig. Allerdings ist die Lösung dieses Problems – die Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland – politisch unerwünscht. Die Zeche zahlen die Verbraucher.
Das kleine deutsche Dorf Rehden, auf halbem Weg zwischen Hamburg und Frankfurt, ist der unwahrscheinliche Brennpunkt für die nächste Phase der europäischen Energiekrise, so der US-Finanznachrichtendienst Bloomberg in einem aktuellen Artikel. 2.000 Meter unter der Oberfläche liegt Deutschlands größter Erdgasspeicher, der genug Gas speichern kann, um 2 Millionen Haushalte ein Jahr lang zu beheizen. Jetzt fast leer, belaufen sich die Kosten für die Befüllung für den nächsten Winter auf fast 2 Milliarden Euro zu aktuellen Preisen.
Doch ein einst routinemäßiger Prozess ist Fragen gewichen, wann der Speicher gefüllt werden soll und wer die Rechnung bezahlt. Auf dem Spiel stehen: die Heizkosten für deutsche Familien im nächsten Winter, die Versorgung der deutschen Industrie – und für politische Entscheidungsträger eine potenzielle Inflationsüberraschung. Der unterirdische Speicher Rehden, der sich über eine Fläche von rund 60 Hektar erstreckt, ist nun Geisel eines Katz-und-Maus-Spiels zwischen Rohstoffhändlern, Versorgungsunternehmen und Brüsseler Regulierungsbehörden.
Das Ergebnis, das sich in Dutzenden anderen europäischen Gasspeichern wiederholt, wird die Sommersaison für den Markt prägen, die am Dienstag offiziell begann, als die Händler die Bücher für den Winter 2024-25 schlossen. Wenn sich nichts ändert, wird die Sommersaison die fünfte in Folge sein, in der Europa mit hohen Preisen und unsicherer Versorgung aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine kämpft.
Eigentlich werden die Gasspeicher während der Frühlings- und Sommermonate neu befüllt, während die Nachfrage relativ gering ist. In dieser Zeit sind die Preise üblicherweise auch günstiger, so dass die Versorgungsunternehmen und Händler auch über die Wintermonate zu vergleichsweise guten Preisen liefern können. Doch derzeit befinden sich die Preise auf Winterniveau, so dass sie – plus Lagerkosten und Gewinnen – einen deutlichen Preisanstieg bei den Verbraucherpreisen im Winter mit sich bringen würden.
Mehr noch stehen die Europäer in Sachen Gasvorräte schlechter da als in den Jahren zuvor. Waren die Gasspeicher nach den beiden letzten Wintersaisons noch mit mehr als der Hälfte gefüllt, sind es derzeit nur ein Drittel. Unter anderem auch wegen des kalten Winters und der vielen Dunkelflaute-Tage, die zu einem größeren Bedarf durch die Gaskraftwerke führten. Bis zum 1. November müssten die Gasspeicher jedoch laut EU-Vorgaben wieder auf 90 Prozent Füllstand gebracht werden – was den Druck erhöht. Auch, weil man solche Mengen an Erdgas nicht einfach binnen weniger Wochen einspeisen kann.
Für die Menschen und für die Unternehmen in Deutschland und Europa könnte das Ganze teuer werden. Entweder, weil sie mit deutlich höheren Gaspreisen rechnen müssen, oder weil die Regierungen Steuergelder in die Hand nehmen, um einen Teil der Kosten zu übernehmen. Doch egal wie – es wird teuer. Zumindest so lange, bis sich die Beziehungen zu Moskau nicht wieder einigermaßen normalisieren.