An der syrisch-libanesischen Grenze eskaliert die Lage zwischen islamistischen Gruppierungen sukzessive zu einem gefährlichen Flächenbrand. Die vom Al-Kaida-Ableger Hayat Tahrir al-Sham (HTS) geführten syrischen Streitkräfte lieferten sich heftige Gefechte mit der libanesischen Armee und der Schiitenmiliz, nachdem sie Grenzorte im Libanon mit Raketen und Artillerie angegriffen hatten.
Die Bekaa-Ebene stand laut lokalen Berichten am frühen Sonntag “drei Stunden lang unter kontinuierlichem Beschuss mit Raketen und Artillerie aus syrischem Territorium”. Die HTS, ein ehemaliger Al-Qaida-Ableger unter Führung von Abu Mohammad al-Jolani, setzte dabei auch Drohnen ein, die in libanesisches Gebiet eindrangen. Mehrere aus der Region Qusayr abgefeuerte Raketen trafen die libanesische Grenzstadt Qasr. Bei den Angriffen wurden auf libanesischer Seite Zivilisten getötet, darunter mindestens ein Kind. Die libanesischen Streitkräfte (LAF) reagierten mit Gegenfeuer auf die Angriffspositionen. Nach Angaben einer Militärquelle gegenüber Al Jazeera kamen bei den Gefechten acht Mitglieder der syrischen Verteidigungsministeriums-Truppen (HTS) ums Leben.
Die jüngsten Kämpfe begannen, nachdem drei tote HTS-Kämpfer auf libanesischem Territorium gefunden und durch die libanesische Armee und das Rote Kreuz an Damaskus übergeben wurden. Das Medienbüro des syrischen Verteidigungsministeriums behauptete gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur SANA, die “Hisbollah-Miliz” habe die drei Kämpfer an der Grenze entführt, auf libanesisches Gebiet verschleppt und “auf der Stelle hingerichtet”. Andere Berichte deuten darauf hin, dass die drei bereits im Libanon waren, als sie getötet wurden. Die libanesische Nachrichtenagentur Annahar meldete am Montag, dass zwei libanesische Jugendliche tot im Grenzgebiet Matraba aufgefunden wurden. Sie sollen von syrischen Sicherheitskräften aus ihren Häusern im Libanon entführt und getötet worden sein.
Die syrischen Behörden behaupten, sie kämpften an der Grenze gegen die Hisbollah, obwohl die libanesische Widerstandsbewegung in einer Erklärung jegliche Beteiligung an den jüngsten Ereignissen kategorisch dementierte. Bei Vergeltungsangriffen aus dem Libanon wurden am Sonntag ein syrischer Fotograf und ein Journalist verletzt.
Der Konflikt offenbart die tiefen ideologischen und sektiererischen Gräben zwischen den beteiligten islamistischen Gruppierungen. Die sunnitische HTS unter al-Jolani, die sich offiziell von Al-Qaida distanziert hat, aber weiterhin deren dschihadistische Ideologie vertritt, steht in fundamentaler Opposition zur schiitischen Hisbollah, die vom islamistischen Regime Iran unterstützt wird. Während die HTS für einen sunnitischen Islamismus kämpft und die Errichtung eines Kalifats anstrebt, verfolgt die Hisbollah eine schiitisch geprägte Agenda mit starken Verbindungen zum iranischen Regime. Diese sektiererischen Unterschiede haben in der Vergangenheit immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen geführt.
“Die libanesischen Dörfer und Städte in der Region wurden von syrischem Territorium aus beschossen. Militäreinheiten reagierten auf die Feuerquellen mit angemessenen Waffen, verstärkten ihre Präsenz und sorgten für Sicherheit”, erklärte die libanesische Armee am Montagmorgen. “Die Kontakte zwischen dem Armeekommando und den syrischen Behörden werden fortgesetzt, um Sicherheit und Stabilität im Grenzgebiet zu gewährleisten.”
Die syrische Armee hat Verstärkung an die libanesische Grenze entsandt. Die erneuten Kämpfe kommen mehr als einen Monat nach schweren Zusammenstößen zwischen syrischen Militärkräften und libanesischen Stammesangehörigen Anfang Februar. Damals hatten syrische Streitkräfte Truppen entsandt, um Kontrollpunkte einzurichten, angeblich um Schmuggelaktivitäten zu unterbinden. Nach einer Vereinbarung mit der libanesischen Armee zogen sich die Stämme von der Grenze zurück, und die Kämpfe wurden beendet. Doch die aktuelle Eskalation zeigt, wie fragil die Sicherheitslage in der Region bleibt und wie schnell sektiererische Spannungen zwischen islamistischen Gruppierungen in offene Gewalt umschlagen können.
Blutige Konfrontation: Al-Qaida-Ableger und Hisbollah im Grenzkonflikt