Bei den EU-Spitzen scheint angekommen zu sein, dass die illegale Migration und straffällig gewordene Asylbewerber die europäischen Staaten vor eine Zerreißprobe stellen. Jetzt wird intern über eine Erneuerung der Genfer Flüchtlingskonvention beraten – ein internes Dokument gibt Auskunft über angedachte härtere Maßnahmen.
Ein internes Diplomatenpapier sorgt für Aufsehen: EU-Spitzenpolitiker erwägen eine Überarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention. Der Grund: In ganz Europa wächst der Konsens, dass das Abkommen von 1951, das nach dem Zweiten Weltkrieg verfasst und durch Urteile der EU-Gerichte ergänzt wurde, nicht mehr zeitgemäß ist.
Seit der überbordenden Flüchtlingswelle von 2015 sind europäische Staaten überfordert von Millionen von Anträgen auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus und damit, abgelehnte Asylbewerber zurückzuschicken.
Flüchtlingskonvention: Ein Relikt vergangener Zeiten?
Die Flüchtlingskonvention, ursprünglich ein humanitärer Meilenstein, sei laut EU-Diplomaten heute ein bürokratischer Hemmschuh. Insbesondere das Prinzip der Nicht-Zurückweisung verhindere effektive Abschiebungen, selbst wenn Asylanträge abgelehnt werden.
„Es sollte beachtet werden, dass diese Prinzipien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurden und von einer ganz anderen geopolitischen Situation geprägt waren als heute“, heißt es in einem diplomatischen Papier, das der britischen Tageszeitung The Times vorliegt.
Die Konvention von 1951 wurde von 144 Ländern unterzeichnet und definiert rechtliche Verpflichtungen für Länder. Ein Grundpfeiler ist das Prinzip der Nichtzurückweisung. Dieser Grundsatz besagt, dass kein Asylbewerber in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit ernsthaft bedroht sein könnten.
Polen initiierte Überarbeitung der EU-Gesetze
Dieses Prinzip wird zunehmend in Frage gestellt. Das Diskussionspapier wurde von Polen initiiert und vergangene Woche unter den EU-Innenministern beraten. Das am vergangenen Donnerstag vorgestellte Papier könnte eine der größten Veränderungen in der Migrationspolitik seit Jahrzehnten darstellen.
Es geht auf Vorschläge ein, die darauf abzielen, die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen und straffällig gewordene Flüchtlinge oder Migranten abzuschieben.
Die europäischen Regierungen hoffen, dass die Maßnahmen „auch die internationale Diskussion zu diesem Thema anregen“, heißt es in dem Dokument, was zu möglichen rechtlichen Änderungen der Konvention führen könnte, die auch von Ländern wie Großbritannien oder den USA unterstützt werden.
Zahl der Asylanträge in EU unverändert hoch
Die syrische Flüchtlingskrise von 2015, bei der mehr als eine Million Migranten illegal die europäische Grenze überquerten, rückte das Thema in vielen EU-Ländern in den Vordergrund. Asylsuchende durchquerten sichere Länder, einschließlich der EU, um nach Österreich, Deutschland oder in andere Ziele in Nord- und Westeuropa zu gelangen.
Die Zahl der Asylanträge in der EU ist mit mehr als einer Million im vergangenen Jahr unverändert hoch.
„In letzter Zeit hat es eine negative Entwicklung gegeben. Die Fähigkeit der Gesellschaften der Mitgliedstaaten, eine große Zahl von Migranten aufzunehmen, wird zunehmend auf die Probe gestellt, insbesondere in Situationen, in denen einige Migranten nicht versuchen, sich in die Aufnahmegesellschaft zu integrieren, sondern stattdessen separate Gemeinschaften bilden, in denen Normen und Regeln gepflegt werden, die von den europäischen Werten abweichen“, heißt es in dem Papier.
Flüchtlingskonvention großes Hindernis für härteren Migrationskurs
Die EU-Politiker scheinen zu merken, dass sich in den Mitgliedsstaaten der Wind dreht. Rechtspopulistische Parteien, die seit Jahren vor zu vielen illegalen Migranten warnen, erstarken. Mittlerweile haben aber auch sozialdemokratische Regierungen, wie die in Dänemark, erkannt, dass sich in der Migrationspolitik etwas ändern muss. Die rechte Regierung Schwedens hat überdies angekündigt, den Zugang zu ihrer Staatsbürgerschaft erschweren zu wollen. Der schwedische Migrationsminister, Johan Forssell, erklärte auf seinem Instagram-Kanal, „die Staatsbürgerschaft muss verdient und nicht bedingungslos ausgehändigt werden”.
Migration ist auch das beherrschende Thema der bevorstehenden Wahlen in Deutschland. CDU-Chef Friedrich Merz sorgte für Aufregung, als er sich mit Unterstützung der rechtspopulistischen AfD für einen 5-Punkte-Plan für strengere Migrationspolitik einsetzte. Seiner Entscheidung vorausgegangen waren vermehrt Gewalttaten, Anschläge und sexuelle Missbräuche durch abgelehnte Asylbewerber in Deutschland.
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Die Flüchtlingskonvention gilt als großes Hindernis für neue Maßnahmen wie die Einrichtung von Zentren außerhalb der EU, in denen Asylbewerber untergebracht werden können, während sie auf eine Entscheidung warten.
Magnus Brunner: „Wir arbeiten an neuen, strengeren Regeln“
Der österreichische EU-Kommissar und ehemalige Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist besorgt über das wachsende Unverständnis der europäischen Bürger über die jetzigen Zustände.
„Wir arbeiten an neuen, strengeren Regeln“, sagte er laut The Times bei Gesprächen in Warschau am vergangenen Donnerstag. „Niemand versteht, warum Menschen, die nicht bleiben können, nicht zurückgeführt werden.“
„Die Frage, wie mit der Rückkehr von Drittstaatsangehörigen umgegangen werden soll, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder einen kriminellen Hintergrund haben, muss geprüft werden“, heißt es in dem internen Papier. „Insbesondere kriminelles Verhalten von Ausländern mit Daueraufenthaltsrecht ist ein Problem.“