Die Stocker-Koalition unternimmt den insgesamt fünften Versuch einer österreichischen Regierung, einen Bundestrojaner und damit eine Massenüberwachung der Österreicher durchzusetzen.
Der österreichische Datenschutzverein epicenter.works kritisiert die neuen (alten) Pläne der Stocker-Regierung. Zum insgesamt fünften Mal versucht eine Regierung nun den umstrittenen sogenannten „Bundestrojaner“ gesetzlich zu verankern. Dabei ist die Spionagesoftware zur Massenüberwachung bereits mehrfach gescheitert, unter anderem durch den Obersten Gerichtshof.
Aber man will es wieder wissen: „Dieser Gesetzesentwurf untergräbt nicht nur das Grundrecht auf Datenschutz und gefährdet die gesamte IT-Sicherheit unseres Landes, sondern stellt letztendlich auch eine Bedrohung für unsere Demokratie dar“, heißt es in einer Presseaussendung der NGO am Mittwoch. Epicenter.works ruft die Bevölkerung dazu auf, die Petition auf www.bundestrojaner.at zu unterzeichnen und sich in der parlamentarischen Begutachtung zu äußern.
Der Bundestrojaner soll es dem Staat ermöglichen, unbemerkt auf Smartphones einzudringen und Kommunikation sowie persönliche Daten abzufangen. Dafür werden gezielt Sicherheitslücken ausgenutzt – mit gravierenden Folgen: „Um ein einzelnes Gerät angreifen zu können, müssen Millionen Geräte absichtlich unsicher gehalten werden. Daraus entsteht eine Massengefährdung der gesamten Bevölkerung. Anstatt die Bürger und Bürgerinnen vor Cyber-Angriffen zu schützen, öffnet der Staat Kriminellen Tür und Tor“, heißt es in der Aussendung.
Die Geschichte des Bundestrojaners in Österreich begann 2016. Damals wurde der erste Versuch nach massiver Kritik in der Begutachtung gestoppt, 2017 scheiterte ein zweiter Anlauf im Parlament. 2018 beschloss die Regierung unter Innenminister Kickl die Einführung, doch der VfGH hob das Gesetz 2019 auf, noch bevor es in Kraft trat. 2024 versuchte es Innenminister Karner. Von knapp 100 Stellungnahmen in der Begutachtung waren 94 % negativ. Zu den Kritikern zählten die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, der Rechtsanwaltskammertag, der Oberste Gerichtshof, die Datenschutzbehörde, der Datenschutzrat, universitäre Institute und große Teile der Zivilgesellschaft. Dennoch scheint die Regierung entschlossen, den umstrittenen Kurs fortzusetzen.
Epicenter.works schreibt weiter zu den aktuellen Entwicklungen:
Innenminister Karner und Staatssekretär Leichtfried haben gestern auch fälschlicherweise den Bundestrojaner mit einer Telefonüberwachung verglichen. Dieser Vergleich ist schlichtweg irreführend, gibt doch ein durch den Bundestrojaner überwachtes Smartphone viel mehr über einen Menschen preis, als das bloße Abhören eines einzelnen Telefonats. Auf den meisten Smartphones finden sich Adressbuch, Fotos, Standort, Mikrofon, Kalendereinträge, Entwürfe von niemals gesendeten Nachrichten oder Gesundheitsdaten. Passender wäre deshalb ein Vergleich mit einer verwanzten Wohnung oder einer Überwachungsdrohne, die der Zielperson überall hin folgt.
Wegen dieser enormen Eingriffstiefe hat der Verfassungsgerichtshof 2019 das damalige Gesetz auch aufgehoben. Inzwischen wurden viele Skandale aus anderen EU-Ländern bekannt, in denen Journalisten, Richter, Anwälte, Oppositionelle oder Aktivisten unrechtmäßig überwacht wurden. Somit wurden gerade jene Personen ungerechtfertigterweise bespitzelt, die für das Funktionieren einer liberalen Demokratie unentbehrlich sind. Deshalb ruft epicenter.works dazu auf den geplanten Bundestrojaner abzulehnen und sich auf eine faktenbasierte Sicherheitspolitik zu besinnen, die angesichts der hohen Kosten und des geringen Nutzens dieser Maßnahme eine sinnvollere Verwendung von Steuergeld liefern würde.
Bundestrojaner: Datenschutzverein warnt vor Massengefährdung und autoritärem Staat