9. März 2025

ddbnews.org

Neuigkeiten / Berichte / Informationen

Chemieindustrie im freien Fall: Standort Deutschland wankt

 

Die deutsche Chemieindustrie steckt in einer Abwärtsspirale, die sich mit beunruhigender Geschwindigkeit verschärft. Was zunächst als vorübergehende Schwächephase erschien, entpuppt sich zunehmend als existenzielle Bedrohung für einen der traditionellen Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland. Die jüngsten Zahlen des ifo-Instituts zeichnen ein düsteres Bild einer Branche, die unter dem Dreiklang aus Energiekrise, Bürokratiewahnsinn und globaler Wettbewerbsverzerrung ächzt.

Der Geschäftsklimaindex für die chemische Industrie rutschte im Februar auf alarmierende -18,2 Punkte ab – ein weiterer Rückgang gegenüber dem Januar-Wert von -14,8 Punkten. Besonders besorgniserregend: Während die Bewertung der aktuellen Geschäftslage mit -12,9 Punkten noch eine leichte Verbesserung zum Vormonat (-17,6) darstellt, sind die Zukunftserwartungen regelrecht eingebrochen. Der entsprechende Indikator stürzte von -12,0 auf -23,3 Punkte ab – ein Wert, der die wachsende Verzweiflung in den Chefetagen widerspiegelt.

Wir erleben einen schleichenden Substanzverlust, der die Grundfesten unserer Branche erschüttert. Was hier passiert, ist kein konjunkturelles Auf und Ab mehr, sondern ein struktureller Umbruch zu unseren Ungunsten. Die Ursachen für den Niedergang sind vielschichtig, aber keineswegs neu. Seit dem Energiepreisschock infolge des Ukraine-Kriegs und der westlichen Sanktionen gegen Russland kämpfen die energieintensiven Chemieunternehmen mit Produktionskosten, die weit über dem internationalen Niveau liegen. Der versprochene Industriestrompreis blieb ein politisches Luftschloss, während die Konkurrenz in den USA von Energiepreisen profitiert, die nur ein Drittel des deutschen Niveaus betragen.

Gleichzeitig lähmt ein immer dichteres Geflecht aus Vorschriften, Berichtspflichten und Genehmigungsverfahren die Innovationskraft der Branche. Die Umsetzung des European Green Deal mit seinen ambitionierten Klimazielen verschärft den Kostendruck zusätzlich, ohne dass flankierende Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in ausreichendem Maße greifen würden.

Hinzu kommt eine schwächelnde Nachfrage aus wichtigen Abnehmerbranchen. Die Automobilindustrie kämpft mit eigenen Transformationsproblemen, während der Bausektor unter hohen Zinsen und explodierenden Materialkosten leidet. Diese Nachfrageschwäche trifft die Chemieunternehmen in einer Phase, in der sie dringend Investitionsmittel benötigen würden. Auf den internationalen Märkten geraten deutsche Chemieprodukte zunehmend ins Hintertreffen. Deutschland verliert Marktanteile nicht nur gegenüber asiatischen Wettbewerbern, sondern auch innerhalb Europas – die Kombination aus hohen Produktionskosten und schwacher Konjunktur ist toxisch für die deutschen Exportchancen.

Besondere Sorgen bereitet den Unternehmen die politische Entwicklung in den USA. Die Ankündigung Donald Trumps, massive Importzölle zu erheben, könnte den transatlantischen Handel empfindlich stören. Für die exportorientierte deutsche Chemieindustrie wäre dies ein weiterer Schlag, der die ohnehin angespannte Situation verschärfen würde.

Die Auftragslage bleibt kritisch. Laut ifo-Umfrage bewerten die Unternehmen ihren Auftragsbestand weiterhin als deutlich unterdurchschnittlich. Viele Produktionsanlagen laufen mit reduzierter Kapazität, was die Stückkosten in die Höhe treibt und die Rentabilität weiter belastet. Ein Teufelskreis, der sich zunehmend selbst verstärkt. Als Reaktion auf die anhaltende Krise haben zahlreiche Chemiekonzerne bereits Sparprogramme angekündigt. BASF, das Flaggschiff der deutschen Chemieindustrie, plant den Abbau tausender Stellen und die Schließung mehrerer Produktionsanlagen am Stammwerk Ludwigshafen. Auch mittelständische Unternehmen sehen sich gezwungen, Personal zu reduzieren und Investitionen zurückzustellen.

Was wir derzeit erleben, ist mehr als eine vorübergehende Schwächephase. Wir beobachten eine schleichende Deindustrialisierung, die langfristig die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland gefährdet. Die Chemieindustrie ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die Branche fordert von der Politik entschlosseneres Handeln.

Die Aussichten bleiben düster. Ohne grundlegende Verbesserungen der Rahmenbedingungen dürfte sich die Talfahrt der deutschen Chemieindustrie fortsetzen. Was auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als die Zukunft eines Industriezweigs, der seit Jahrzehnten als Innovationsmotor und Jobgarant galt. Die Krise der Chemieindustrie könnte sich als Vorbote einer umfassenderen Deindustrialisierung erweisen – mit weitreichenden Folgen für Wohlstand und soziale Stabilität in Deutschland.

 

Chemieindustrie im freien Fall: Standort Deutschland wankt