28. April 2025

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China, Hongkong und die Kunst des Blinzelns

 

Pepe Escobar

Kapitän Chaos hat definitiv nicht die Karten – die, wie selbst die Pinguine im Südpazifik wissen, alle in China hergestellt werden.

SHANGHAI und HONGKONG – Wie vorauszusehen war, hat Kapitän Chaos als Erster geblinzelt – auch wenn er und sein aufgeblähter Medienzirkus es nicht zugeben können.

Alles begann mit „Zollbefreiungen“ – von Smartphones und Computern bis hin zu Autoteilen – für Produkte aus China.
Dann folgten sorgfältig platzierte Leaks, die andeuteten, dass die Zölle auf eine Spanne zwischen 50 % und 65 % gesenkt werden könnten.
Und schließlich das lapidare Eingeständnis, dass im Falle eines Scheiterns des Abkommens eine „Zollzahl“ einseitig festgelegt werde.

Das chinesische Handelsministerium reagierte unnachgiebig:

„Der Versuch, die Interessen anderer gegen vorübergehende Gewinne einzutauschen, ist wie der Versuch, einem Tiger sein Fell abzuhandeln – das geht garantiert nach hinten los.“

Und es wurde noch schärfer.
Das Ministerium betonte ausdrücklich, dass alle Behauptungen von Trump 2.0 über Fortschritte bei bilateralen Verhandlungen „keine faktische Grundlage“ hätten – und stellte den US-Präsidenten damit de facto als Verbreiter von Fake News dar.

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Tiger, Tiger, brennend hell

Das Bild erinnert nicht an William Blake, sondern an Maos berühmte Beschreibung des US-Imperiums als „Papiertiger“ – eine Erinnerung, die mir letzte Woche in Shanghai ständig durch den Kopf ging.
Wenn das US-Imperium schon in den 1960er Jahren ein Papiertiger war, so argumentieren die Chinesen heute: stellt euch vor, was es jetzt ist.

Und der Schmerz wird nur zunehmen – nicht nur für den Papiertiger.
Alle fragwürdigen Geschäfte, die von ausländischen Vasallenregierungen auf Kosten chinesischer Interessen abgeschlossen werden, wird Peking künftig einfach nicht mehr tolerieren.

In Shanghai wurde ich letzte Woche von Akademikern und Geschäftsleuten wiederholt daran erinnert, dass Trumps Zollwut weit über China hinausgeht:
Sie ist ein verzweifelter Angriff der US-amerikanischen herrschenden Klasse auf einen gleichwertigen Konkurrenten, vor dem sie panische Angst hat.

Die besten chinesischen Analytiker verstehen sehr genau, was in Washington vor sich geht.
Ein Beispiel: Ein Aufsatz in der einflussreichen Zeitschrift Cultural Horizon analysiert die „dreieckige Machtstruktur“ von Trump 2.0:

  • ein allmächtiger Trump, der ein „Super-Establishment“ bildet;
  • die Finanzpolitik des Silicon Valley, vertreten durch Elon Musk;
  • die neue rechte Elite, verkörpert durch Vizepräsident J.D. Vance.

Das Ergebnis: ein „Regierungssystem, das fast parallel zur Bundesregierung existiert“.

Europäische Chihuahuas – ins Kreuzfeuer von Trump 2.0 geraten – sind zu solch präziser Analyse einfach nicht fähig.

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Papiertiger und feuriger Drache

Ein Tauchgang in Shanghai zeigt:
China hat dank Trump 2.0 eine seltene Gelegenheit erhalten, seine strategische Initiative zu festigen, seine Führungsrolle im globalen Süden und der globalen Mehrheit auszubauen – und gleichzeitig das Risiko eines neuen Kalten Krieges klug zu managen.

Man könnte es einen Sun-Tzu-Schachzug nennen, der das Imperium lähmt.
Professor Zhang Weiwei, mit dem ich in Shanghai an einem Seminar über die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China teilnahm, würde dem zustimmen.

China ist in allen Bereichen aktiv:

  • Premierminister Li Qiang forderte Japans Premier Shigeru Ishibe auf, gemeinsam gegen Trumps Zollwahn vorzugehen.
  • Präsident Xi Jinpings wichtigste Botschaft bei seiner jüngsten Südostasienreise lautete, sich gegen „einseitiges Tyrannisieren“ zu wehren.

Xi bewegte sich diplomatisch zwischen Malaysia – das als ASEAN-Vorsitzland neutral bleiben will – und Vietnam, das mit seiner „Bambusdiplomatie“ zwischen USA und China balanciert.

An Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim richtete Xi die Botschaft:

„Wir müssen die glänzenden Aussichten unserer asiatischen Familie bewahren.“

Übersetzt heißt das: Wir sollten eine exklusive asiatische Einflusssphäre schaffen, ohne äußere Mächte wie die USA.

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Chinas neuer Fokus: Produktion für den Binnenmarkt

Parallel dazu entbrennt von Shanghai bis Hongkong eine Debatte:
Wie kann ein Teil der gigantischen chinesischen Produktionskapazitäten stärker für den heimischen Markt genutzt werden?

Natürlich gibt es Hürden:

  • Die Kaufkraft vieler chinesischer Verbraucher ist schwach.
  • Viel Einkommen fließt weiterhin in Anlageinvestitionen.
  • Ältere Landbevölkerung lebt teils von nur 30 Dollar Rente im Monat.
  • Der Stundenlohn in der chinesischen Gig-Economy stagniert bei etwa 4 Dollar.

Trotzdem bewegt sich China rasant weiter:

  • Der schnellste Hochgeschwindigkeitszug der Welt (400 km/h) wird bald Peking mit Shanghai verbinden.
  • Das Großraumflugzeug C919 erhält erste internationale Aufträge.
  • Der erste thoriumbetriebene Kernreaktor der Welt wurde entwickelt – eine Quelle unbegrenzt billiger und sauberer Energie.

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Hongkong und die Angst vor Entkopplung

Hongkong ist ein Sonderfall:
HSBC-Manager etwa sorgen sich, ob Hongkong ohne US-Handel überleben könnte.

Antwort: Ja.
Die USA sind zwar Hongkongs drittgrößter Handelspartner, doch machen sie nur:

  • 6,5 % von Hongkongs Exporten,
  • 4 % von Hongkongs Importen aus.

Hongkong bleibt ein globales Logistik- und Finanzzentrum – solange Trump 2.0 den Handel nicht explizit verbietet.

Ohnehin exportiert Hongkong hauptsächlich Elektronik, Luxusgüter, Kleidung, Spielzeug – all das kann leicht alternative Märkte in Südostasien, Westasien und Europa finden.

Wichtig:
Über die Hälfte des Hongkonger Handels läuft direkt mit dem chinesischen Festland.
Und China selbst hat sich längst auf ein Überleben ohne US-Handel vorbereitet – schon seit Trump 1.0.

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Die mafiöse Art, Geschäfte zu machen

Von Shanghai bis Hongkong teilen viele Analysten die Einschätzung von Michael Hudson, der betont:

„Die USA sind das einzige Land der Welt, das seinen Außenhandel, seine Währung, das internationale Finanzsystem und jede wirtschaftliche Beziehung in ein geopolitisches Druckmittel verwandelt hat.“

Ein selbstbewusstes, technologisch aufstrebendes China versteht klar, dass das „Reich des Chaos“ beim Versuch, China zu isolieren, letztlich nur sich selbst isoliert – und seine „Chihuahuas“ gleich mit.

Hudson fasst es treffend zusammen:

„Amerika ist heute ein finanzieller Papiertiger.
Es hat nicht viel anzubieten, außer Drohungen mit Zöllen und der Zerstörung der bestehenden globalen Handelsstrukturen.“

In Shanghai hörte ich zudem entschiedene Ablehnung gegenüber dem sogenannten Miran-Plan:
Dieser Plan, entwickelt von Trumps Wirtschaftsberater, fordert:

  • Dass China, Japan und die EU US-Dollar-Anlagen verkaufen
  • und kurzfristige US-Staatsanleihen gegen 100-jährige, zinslose Anleihen eintauschen.

Zhao Xijun von der Renmin-Universität brachte es auf den Punkt:

„Geld so an das US-Finanzministerium zu überweisen, ist wie Schutzgeld auf der Straße zu zahlen.“

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Parallel auf dem großen Schachbrett

Währenddessen arbeiten Peking und Moskau ruhig aber beständig an einer gesamteurasischen Sicherheitsarchitektur, basierend auf einem Gleichgewicht der Mächte – Stichwort: das neue Primakow-Dreieck (Russland, Iran, China).

Russland und China – als führende BRICS-Mitglieder – werden es nicht zulassen, dass das Imperium Iran angreift.
Und Unterstützung erfolgt auf vielfältige Weise:

  • Weitere imperiale Sanktionen gegen Iran?
  • China erhöht einfach die Importe (z.B. über Malaysia) und investiert zusammen mit Russland in Irans Infrastruktur – entlang des International North-South Transportation Corridor (INSTC).

 

Kurz gesagt:
Kapitän Chaos hat keine Karten mehr – die, wie selbst die Pinguine im Südpazifik wissen, alle in China produziert werden.

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