China hat offiziell die Arbeit an einer neuartigen Hyperschall-Luft-Luft-Rakete bestätigt, deren Reichweite und Geschwindigkeit bisherige Systeme in den Schatten stellt. Mit einer kolportierten Reichweite von 800 bis 1.000 Kilometern könnte diese Waffe das strategische Gleichgewicht in der Luftkriegsführung fundamental verändern und die westliche Militärdoktrin vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Die Existenz dieser Waffe wurde erstmals durch eine wissenschaftliche Publikation in einer chinesischen Fachzeitschrift bestätigt, in der Testverfahren detailliert beschrieben werden. Die brasilianische Militärexpertin Patricia Marins bezeichnet diese Entwicklung als “Beginn eines neuen Konzepts in der Luftkriegsführung” – eine Einschätzung, die angesichts der technischen Daten durchaus berechtigt erscheint.
Die Reichweite der chinesischen Rakete übertrifft russische Systeme wie die KS-172/K-100/R-37M (200-400 km) um das Zweifache und westliche Pendants sogar um das Vier- bis Fünffache. Bei Geschwindigkeiten über Mach 5 (etwa 6.200 km/h) verkürzt sich die Reaktionszeit für Abwehrsysteme dramatisch, was eine effektive Verteidigung nahezu unmöglich macht. Hinzu kommt die Manövrierfähigkeit während des Fluges, die eine Vorhersage der Flugbahn erheblich erschwert.
Diese Kombination aus extremer Geschwindigkeit, beispielloser Reichweite und Manövrierfähigkeit macht die Waffe besonders bedrohlich für strategisch wichtige Ziele wie AWACS-Frühwarnflugzeuge, Tankflugzeuge und Bomber, die typischerweise in vermeintlich sicherer Entfernung vom direkten Kampfgeschehen operieren.
Im globalen Wettlauf um Hyperschall-Technologie haben nur wenige Staaten nennenswerte Fortschritte erzielt. Während Russland mit der Kinzhal-Rakete bereits ein einsatzfähiges System für Luft-Boden-Angriffe besitzt, kämpfen die USA mit erheblichen Verzögerungen. Nach Berichten der Eurasiatimes plant das US-Militär erst bis Ende des Fiskaljahres 2025 die Einführung ihres ersten “Long-Range Hypersonic Weapon System” (LRHW) – eine fast zweijährige Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan.
China scheint mit der Entwicklung einer hochleistungsfähigen Hyperschall-Luft-Luft-Rakete eine strategische Nische zu besetzen, die weder Russland noch die USA bisher abdecken. Diese Spezialisierung könnte China einen entscheidenden Vorteil in zukünftigen Konflikten verschaffen.
Eine zentrale Frage bei der Bewertung dieser Waffe betrifft die Zielerfassung: Wie kann ein Kampfflugzeug Ziele identifizieren und verfolgen, die Hunderte Kilometer entfernt sind? Die physikalischen Grenzen der Radarreichweite, bedingt durch Erdkrümmung und Signaldämpfung, machen es praktisch unmöglich, mit bordeigenen Systemen eines Kampfflugzeugs Ziele in 800 bis 1.000 km Entfernung zu erfassen.
Die Lösung liegt vermutlich in einem hochgradig vernetzten System mit fortschrittlicher Sensorfusion. China hat in den letzten Jahren eine Reihe fortschrittlicher Drohnen entwickelt, darunter die WZ-8 “strategische Drohne” für den Einsatz in großen Höhen. Diese Drohnen könnten die Zielerfassung für die neue Hyperschall-Rakete übernehmen.
Das chinesische Konzept sieht wahrscheinlich ein System vor, bei dem Daten aus verschiedenen Quellen – Höhendrohnen, Satelliten, bodengestützte Radare, passive Sensoren und möglicherweise Quantenradar-Technologien – kombiniert werden. Jeder einzelne Sensor mag für sich genommen nur ungenaue Daten liefern, doch in der Kombination können sie ein präziseres Bild der Aufenthaltswahrscheinlichkeit sogar von Stealth-Flugzeuge..n erzeugen.
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Fundamentale Herausforderung für die NATO-Doktrin
Die strategische Bedeutung dieser Entwicklung geht weit über die Bedrohung einzelner Flugzeugtypen hinaus. Mit dieser Waffe könnte China eine weitreichende Abschreckungszone (Anti-Access/Area Denial, A2/AD) errichten, die tief in internationale Gewässer und den Luftraum hineinreicht. Strategische Angriffsmissionen wären damit selbst aus großer Entfernung gefährdet, und das gesamte Konzept der Staffelung von Kräften müsste überdacht werden.
Die NATO-Doktrin basiert im Kern auf der Erlangung und Aufrechterhaltung der Luftüberlegenheit als Voraussetzung für erfolgreiche Operationen aller Streitkräfte. Diese Doktrin gerät nun durch zwei parallele Entwicklungen unter Druck: Chinas neue Hyperschall-Luft-Luft-Rakete mit extremer Reichweite und Russlands Oreshnik-Rakete, die angeblich Flächenziele wie Flughäfen mit nur wenigen Schlägen ausschalten kann.
Für die NATO und ihre Verbündeten bedeutet dies eine grundlegende Überprüfung bisheriger Konzepte. Die Konzentration von Luftstreitkräften auf wenige, große Flugbasen wird durch Präzisionswaffen zunehmend riskant. Gleichzeitig könnte die chinesische Hyperschall-Luft-Luft-Rakete nicht nur Hochwertziele wie AWACS und Tankflugzeuge bedrohten, sondern auch Kampfflugzeuge und sogar Stealth-Flugzeuge, die bisher als nahezu unangreifbar galten.
Im Kontext potenzieller regionaler Konflikte, insbesondere in Bezug auf Taiwan, erhält diese Waffe eine besondere geopolitische Bedeutung. Im Falle einer militärischen Eskalation wäre die schnelle Heranführung überlegener US-Luftstreitkräfte ein Schlüsselelement jeder militärischen Unterstützung für die Insel.
Die neue chinesische Hyperschall-Luft-Luft-Rakete könnte genau diese Fähigkeit erheblich einschränken oder sogar neutralisieren, indem sie US-amerikanische Trägergruppen und Luftstreitkräfte auf Distanz hält. Die extreme Reichweite der Rakete würde es China ermöglichen, eine weiträumige Abschreckungszone zu etablieren, ohne eigene Flugzeuge in Reichweite US-amerikanischer Luftverteidigungssysteme bringen zu müssen.
Zudem könnte die neue Rakete zur Absicherung der im Aufbau befindlichen eigenen chinesischen Trägergruppen eingesetzt werden und damit Chinas maritime Ambitionen im Südchinesischen Meer und darüber hinaus absichern. Die westlichen Militärstrategen stehen nun vor der Herausforderung, auf diese fundamentale Veränderung der Luftkriegsführung zu reagieren – eine Aufgabe, die angesichts der technologischen Komplexität und der geopolitischen Implikationen keine einfachen Lösungen zulässt.