31. März 2025

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Der gefährliche Weg zum Wahlausschluss

 

Schwarz-rot plant einen Wahlausschluss von Kandidaten, die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Das könnte AfD-Politiker wie Höcke treffen und damit massiv in die Demokratie eingreifen.

Herrschen in Deutschland bald rumänische Verhältnisse? In dem osteuropäischen Land wurde vor wenigen Wochen der führende rechte Oppositionspolitiker Georgescu erst auf dem Weg zur Wahl-Registrierung verhaftet, dann erklärte man seine Kandidatur für ungültig. Angeblich hätte er „die Bedingungen der Legalität“ nicht erfüllt, da er „die Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie verletzt“ habe. Egal, was man vom russlandfreundlichen Georgescu hält: Der Wahlausschluss war klar politisch begründet. Ein Szenario, das möglicherweise auch in Deutschland droht.

Eigentlich sind die Hürden dafür extrem hoch: Das scharfe Schwert des Parteiverbots oder ein Grundrechtsentzug bei Einzelpersonen kann nur in einem langwierigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt werden. Und das war in der Vergangenheit sehr zurückhaltend in der Frage, lehnte selbst ein NPD-Verbot ab. Nun ist aber schon seit gut einem Jahr ein mögliches AfD-Verbotsverfahren im politischen Berlin in aller Munde.

Insbesondere in den Reihen von Grünen und SPDlern gibt es Verfechter des AfD-Verbots, aber auch CDUler wie der Ex-Ostbeauftragte Marco Wanderwitz wünschen sich das Verbot. Bisher hat das aber keine Mehrheit im Bundestag – auch weil man im Fall der Fälle ein Scheitern in Karlsruhe fürchtet. Der Schritt dahin, die AfD selbst zu verbieten ist den meisten – selbst vielen, die die AfD gerne verbieten würden – daher noch zu weit.

Stattdessen sucht man nach Formen einer Art „AfD-Verbot Lite“, etwa in de man als besonders radikal geltende Landesverbände ins Visier nimmt. Oder eben die Frage eines Parteiverbots zur Seite schiebt und andere Rechtsinstrumente verwendet: Ein Vereinsverbot der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) war im Gespräch, weil diese formell nicht Teil der Partei ist. Die JA kam solchen Gedanken zuvor, indem sie ihre Selbstauflösung und Neugründung in Form einer echten Parteiorganisation anstieß.

Im Koalitionspapier von SPD und CDU findet sich jetzt ein Passus, der womöglich schwerwiegende Konsequenzen für die Zulassung von AfD-Kandidaten haben könnte. Im Papier der Arbeitsgruppe 1 „Innen, Recht, Migration und Integration“ heißt es nämlich: „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung.“ Das heißt: Wer zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, darf nicht mehr als Kandidat bei Wahlen antreten. Es wäre eine einschneidende Intervention in die freie Wahl über das Strafrecht.

Dass man bei einer Verurteilung wegen schwerwiegender Straftaten sein passives Wahlrecht (für fünf Jahre) verliert, gibt es jetzt schon. Aber auch das bestehende Gesetz setzt eine hohe Hürde an: Man muss wegen eines Verbrechens und nicht nur eines Vergehens verurteilt werden – etwa wegen Raub, Mord oder schwerer Körperverletzung. Außerdem muss man zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein.

Volksverhetzung hingegen ist im Strafrecht deutlich niedriger angesiedelt und kein Verbrechen – Täter werden meist zu Geldstrafen verurteilt. Ein passiver Wahlrechtsentzug passiert bisher also vor allem bei Gewalttätern, die ins Gefängnis wandern, nicht einfach aufgrund von bestimmten Aussagen. Das Vorhaben aus dem schwarz-roten Koalitionspapier würde genau das ändern. Politische, als volksverhetzend geltende Äußerungen, wären auf einmal die Grundlage, um Politiker von Wahlen auszuschließen.

Wegen einer im Recht bisher niedrig gehaltenen Straftat, die ganz klare politische Dimensionen hat – schließlich geht es meist um politische Sprüche oder Forderungen – würde man auf einmal tief in die Demokratie eingreifen. Wen so ein Wahlausschluss treffen würde, ist nicht schwer vorauszusagen.

AfD-Politiker Björn Höcke etwa wurde bereits einmal wegen Verwendung der von der SA genutzten Parole „Alles für Deutschland“ wegen Volksverhetzung verurteilt. Bald dürfte er wegen des gleichen Vorwurfes wieder vor Gericht stehen: Diesmal geht es darum, dass er bei einer Wahlkampfveranstaltung „Alles für“ rief und damit die folgende Publikumsreaktion „Deutschland“ einlud.

Egal ob man den Spruch und Höckes Provokation dazu für Volksverhetzung hält oder nicht: Bei einer wiederholten Verurteilung würde er genau in jene Kategorie von Politikern fallen, die laut schwarz-rotem Koalitionspapier künftig von Wahlen ausgeschlossen werden.

Höcke das Recht gewählt zu werden zu entziehen ist kein neuer Gedanke: Linke Aktivisten forderten in einer Petition einen solchen Grundrechtsentzug des Thüringer AfD-Politikers schon vor geraumer Zeit. Nur dass damals jedem klar war, dass so ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht recht unrealistisch ist: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde schließlich einer Person ein Grundrecht aberkannt. Die Hürden wären ähnlich oder sogar höher als für ein Parteiverbot.

Mit ihrem Vorhaben könnte Schwarz-Rot jetzt aber genau das umsetzen – per Abkürzung über das Strafrecht. Mehr noch: Womöglich soll die Definition von dem, was unter Volksverhetzung fällt, noch ausgeweitet werden. Denn im Papier heißt es weiter: „Wir wollen Terrorismus, Antisemitismus, Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen und dazu insbesondere den Tatbestand der Volksverhetzung verschärfen.“ Was dabei „Hass und Hetze“ ausmacht, ist in der politischen Debatte freilich recht schwammig, genauso die Frage war eine Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen konkret bedeuten würde.

Aber egal ob Definitionsausweitung oder nicht: Schon jetzt wäre ein Wahlausschluss aufgrund mehrfacher Volksverhetzung ein massiver Eingriff in die Demokratie. In manchen Fällen – Stichwort Höcke – könnte sie für ein „AfD-Verbot Lite“ herhalten und damit die größte Oppositionspartei, die aktuell in Umfragen nur wenige Prozent von der Union trennt, beim Antritt ihrer Kandidaten zu Wahlen massiv einschränken.

 

 

Der gefährliche Weg zum Wahlausschluss