Die Situation in Hamburgs Justizvollzugsanstalten ist nach eigenen Angaben „stark angespannt”. Man müsse sogar Häftlinge früher entlassen. Eine Recherche der Epoch Times ergab, dass in anderen Bundesländern ähnliche Zustände herrschen.
Aus Platznot entließ die britische Regierung im September 2024 rund 1.700 Strafgefangene vorzeitig, um Platz in den überfüllten Haftanstalten zu schaffen. Ansonsten drohe eine „ungehemmte Kriminalität“, weil Polizei und Gerichte niemanden mehr einsperren könnten, begründete die Regierung in London ihr Vorgehen.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Ende November 2024 teilte der Hamburger Justizsenat mit, dass er Menschen, die zu einer Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden sind, einen mehrmonatigen Vollstreckungsaufschub gewährt. Zudem werden rund 30 Häftlinge per Haftunterbrechung entlassen. Sie sollen ihre Strafe zu einem späteren Zeitpunkt absitzen.
Epoch Times nahm die Hamburger Entscheidung zum Anlass, die Gefängnissituation bundesweit zu beleuchten, und schrieb alle 16 Justizministerien an. Dabei zeigte sich, dass diese Maßnahme kein Einzelfall ist.
Allein in Hamburg ist es bereits der sechste Aufschub von Haftstrafen und die siebte Haftunterbrechung seit 2020. Bei den Aufschüben handelt es sich um Ersatzfreiheitsstrafen, Erzwingungshaft, Ordnungshaft sowie bislang nicht angetretene Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Bei der Vollstreckungsunterbrechung ging es neben Ersatzfreiheitsstrafen auch um Freiheitsstrafen bis zu zwölf Monaten.
Haftanstalten „immer wieder“ überbelegt
Von insgesamt 2.203 Haftplätzen waren Ende September 2.113 belegt, was eine Belegungsquote von 96 Prozent ausmacht. Auch in Bremen gab es bereits temporäre Aussetzungen von Ersatzfreiheitsstrafen. Zum Stichtag 14. Juni 2024 waren 723 Gefangene inhaftiert. Damit überschritt die JVA Bremen ihre Belegungsfähigkeit von 717 Häftlingen.
Gegenüber der Epoch Times äußerte ein Sprecher des Justizministeriums, dass Justizvollzugsanstalten bundesweit „immer wieder einmal überbelegt“ seien. So auch die JVA Bremen, was allerdings bislang kein Grund gewesen sei, Gefangene nicht weiter aufzunehmen.
Ebenso kam es in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren zu zeitweisen Aussetzungen des Strafvollzugs. Die Rede ist hier von „in der Corona-Zeit entstandenen Rückständen“, die bis zum 30. April 2023 abgebaut worden seien.
Die Situation lässt sich nicht als entspannt bezeichnen, wie die Zahlen zum 30. November 2024 zeigen. So waren der Männer- als auch der Frauenvollzug „nach wie vor überbelegt“, erklärte das baden-württembergische Justizministerium. „Jedoch war und ist der Justizvollzug aufnahmebereit“, so die Landesregierung.
Bestehende beziehungsweise künftige Überlastungen beabsichtigt man aufzulösen. Mithilfe sogenannter Haftplatzverdichtungen sollen zusätzliche Betten in geeigneten Hafträumen aufgebaut werden.
Vollbelegung von 90 Prozent in mehreren Bundesländern erreicht
Üblicherweise spricht man im geschlossenen Justizvollzug von einer Vollbelegung, wenn 90 Prozent der Haftplätze belegt sind. Die Haftanstalten in Rheinland-Pfalz übertreffen diese Marke, der geschlossene Frauenvollzug weist sogar eine Belegungsquote von 114 Prozent auf.
Besser sieht es in Niedersachsen aus. Hier lag die Gesamtbelegungsquote im geschlossenen Strafvollzug bei 89 Prozent. Knapp unter 90 Prozent liegen auch Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland.
Im Osten ist die Situation entspannt
Danach folgt Bayern mit 84 Prozent; Nordrhein-Westfalen (NRW) und Sachsen-Anhalt folgen dicht mit 81 Prozent. Etwas besser sieht es im Bereich der Strafhaft bei den Berliner Gefängnissen aus. Eine Berechnung der Epoch Times ergab eine Auslastung (ohne U-Haftplätze) von 78 Prozent.
Die Gefängnisse in den drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind am wenigsten ausgelastet. Das „Schlusslicht“ ist Thüringen mit 73 Prozent.
Gibt es bundesweit mehr Häftlinge?
Auf die Frage, ob die Anzahl der Häftlinge zugenommen hat, erklärten Bremen, Hamburg, das Saarland sowie Baden-Württemberg, dass man einen Anstieg festgestellt habe. „Einen validen Grund für die höhere Belegung vermag ich nicht zu nennen“, erklärte der Sprecher des Bremer Justizsenats.
In Baden-Württemberg will man den Grund für die hohen Belegungszahlen kennen. Ein „signifikanter Anstieg“ sei in den Jahren 2016 bis 2018 insbesondere auf „die starken Migrationsbewegungen“ zurückzuführen. In den rund zehn Jahren davor seien die Gefangenenzahlen dagegen rückläufig gewesen.
Aus Hessen und Schleswig-Holstein erhielten wir trotz mehrmaliger Nachfrage und einem presserechtlichen Auskunftsanspruch keine Rückmeldung zu unserer Anfrage.
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