Von über fünf Millionen Bürgergeld-Empfängern sind fast vier Millionen erwerbsfähig. Rund drei Millionen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren verfügen laut Berufsbildungsbericht 2024 über keinen Berufsabschluss. Warum das Narrativ vom massenhaften Bedarf an Zuwanderung eine Lüge ist und bleibt, erklärt Josef Kraus.
Wie passt das zusammen? Einerseits: Politik, Medien und Wirtschaftslobby werden nicht müde, massenhafte Zuwanderung zu fordern. Bereits seit Jahren ist vom angeblichen Bedarf an 1,5 Millionen „Neubürgern“ pro Jahr (!) die Rede, die dann 400.000 Fachkräfte mitbrächten. So zum Beispiel das Narrativ des Rats der Wirtschaftsweisen.
Andererseits: Wir haben in Deutschland (Stand: November 2024) 2,774 Millionen Arbeitslose. Wir haben in Deutschland 5,51 Millionen Bürgergeldempfänger, von denen 3,99 Millionen erwerbsfähig sind. Wir haben in Deutschland pro Jahr 80.000 Schulabgänger ohne Schulabschluss. Wir haben in Deutschland drei Millionen Studenten (nicht immer Studierende); zu nennenswerten Teilen in Fächern, die für die Volkswirtschaft nullkommanix bringen, sondern die später allenfalls als Genderbalance-, Gleichstellung-, Diversity-, Demokratie-, Queer-, Trusted-Flagger- usw. Beauftragte die Staatsquote nach oben treiben.
Und wir haben in Deutschland – bislang schön verschwiegen – im Alter zwischen 20 und 34 Jahren eine Zahl der nicht formal Qualifizierten (amtlich: nfQ) bzw. der Ungelernten in dieser Altersgruppe von 2,86 Millionen. Das weist der Berufsbildungsbericht 2024 des Bundesinstituts für berufliche Bildung aus. Erschienen für 2022 (jüngere Daten liegen nicht vor) im September 2024, bislang politisch und medial praktisch nicht beachtet. Siehe vor allem Seite 96/97 des 150 Seiten starken Berichts.
Details daraus: 2022 verfügten nach Berechnungen auf der Basis des Mikrozensus
19,1 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 34 Jahren in Deutschland über keinen Berufsabschluss. Hochgerechnet also 2,86 Millionen. Dass dies für die jungen Leute mit erheblichen negativen Konsequenzen und für die Gesellschaft insgesamt verbunden ist, muss man nicht gesondert betonen.
Weitere Details: Im Vergleich zum Vorjahr ist die nfQ-Quote in der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen im Jahr 2022 um 1,3 Prozentpunkte gestiegen (2021: 17,8 Prozent). Auch die absolute Zahl der jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsabschluss fiel im Vorjahresvergleich höher aus. Junge Frauen zwischen 20 und 34 Jahren wiesen mit 17,5 Prozent im Jahr 2022 eine niedrigere Quote an Nichtqualifizierung auf als junge Männer in der gleichen Altersgruppe (20,5 Prozent). Die Quote der nicht formal Qualifizierten variiert zudem deutlich in Abhängigkeit vom (nicht) erreichten Schulabschluss. Die entsprechende Quote der 20- bis 34-Jährigen ohne Schulabschluss lag hier im Jahr 2022 bei 74,7 Prozent. Und: Während junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren mit einer deutschen Staatsbürgerschaft eine Nicht-Qualifizierten-Quote von nur 12,7 Prozent (2021: 11,7 Prozent) aufwiesen, waren es bei den ausländischen Gleichaltrigen mit einer Quote von 38,1 Prozent (2021: 38,1 Prozent) genau dreimal so viele.
Auch Personen mit Migrationshintergrund blieben überdurchschnittlich häufig ohne formale Qualifizierung. Im Jahr 2022 lag die nfQ-Quote der 20- bis 34-jährigen Migranten mit eigener Migrationserfahrung bei 39,1 Prozent (2021: 38,1 Prozent). Auch bei Personen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, fiel die nfQ-Quote mit 20,4 Prozent vergleichsweise hoch aus (2021: 19,9 Prozent). Die nfQ-Quote deutscher Personen ohne Migrationshintergrund lag 2022 bei 11,6 Prozent (2021: 10,6 Prozent).
Eine beschönigende Stellungnahme des medial omnipräsenten Präsidenten des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, liegt dazu (noch?) nicht vor. Vermutlich hält er sich zurück, damit niemand auf die Idee kommt, den Herrn Professor an eine Aussage zu erinnern, die er vom März 2016, also rund ein halbes Jahr nach der Merkelschen Grenzöffnung, getan hatte. Damals meinte er: „Flüchtlinge werden Renten der Babyboomer zahlen.“ Dass mittlerweile mehr als die Hälfte der Empfänger von Bürgergeld einen Migrationshintergrund hat, stört Fratzscher nicht: Kritik daran wischt er mit dem wohlfeilen Vorwurf des „Populismus“ beiseite und meint im August 2024: „Bürgergeld war ein Schritt in die richtige Richtung.“
Die drei Grundübel
Was aber sind die Grundübel (Plural!):
- Erstens sind es die mangelnde Bildungswilligkeit und Anstrengungsbereitschaft eines Teils der jüngeren Generation. „Vater Staat“ sorgt ja für alles.
- Zweitens: Das Bildungswesen hat die Ansprüche heruntergefahren; Leistung ist „pfui“, geschönte Zeugnisse sind Lügen; sie gaukeln vor, dass man zu allem fähig ist – quasi Vollkasko ohne Beteiligung.
- Drittens: Die Politik versagt in Sachen Bildung ordnungspolitisch. Denn: Wenn jemand das Bildungsangebot nicht annimmt bzw. die Schulpflicht nicht erfüllt, dann muss das finanzielle Konsequenzen für den Bezug von Transferleistungen (zum Beispiel Kindergeld) haben. Der frühere SPD-Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, hatte nicht ganz Unrecht, als er 2009 sagte: „Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto.“
Oder auf die jungen Erwachsenen gewendet: Besteht kein Bildungsinteresse, kommt das Bürgergeld nicht auf das Konto.
Deutschlands Bildungskrise: Millionen ohne Abschluss – ein gefährlicher Trend