Scheinfirmen und Strohmänner machen den Krankenkassen das Leben schwer. Betrüger erbeuten Millionen. Doch die Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen sind begrenzt.
Immer häufiger nutzen kriminelle Netzwerke sogenannte Scheinfirmen und Strohmänner, um sich unrechtmäßig Leistungen aus dem deutschen Sozialsystem zu verschaffen. Der Schaden für die gesetzlichen Krankenkassen und Sozialkassen beläuft sich auf Millionenbeträge – jedes Jahr. Recherchen von rbb24 zeigen, wie systematisch das Vorgehen der Täter ist und wie lückenhaft die Schutzmechanismen bislang sind.
Ein exemplarischer Fall aus Berlin verdeutlicht die Masche: Eine überschuldete Immobilienfirma wird durch einen Notar auf einen polnischen Staatsbürger übertragen, der bislang nicht als Unternehmer bekannt war. Kurz nach dem Notartermin ist der neue Geschäftsführer nicht mehr auffindbar, die Firma aber besteht formal weiter. Die ursprünglichen Eigentümer entledigen sich so ihrer Verantwortung, ohne Insolvenz anzumelden. Für die Gläubiger der Firma ist der neue Eigentümer und Geschäftsführer nicht auffindbar.
Über die Firma werden in der Folge rund 40 Personen bei neun Krankenkassen als Beschäftigte gemeldet – basierend auf gefälschten Verträgen. Die Betroffenen arbeiten aber nicht in der Firma. Manche sind im Ausland, andere gar nicht auffindbar. Sozialbeiträge werden auch keine abgeführt. Dennoch haben sie Anspruch auf Leistungen wie Kranken- und Arbeitslosengeld sowie ärztliche Versorgung. Die Firma kann für die angeblichen Mitarbeiter im angeblichen Krankheitsfall auch die Erstattung der Lohnfortzahlung beantragen. Die Beitragsschulden der Firma summieren sich auf rund 900.000 Euro. Nach drei Jahren stellt die AOK Nordost einen Insolvenzantrag.
Derartige Konstruktionen sind kein Einzelfall. Nach Angaben der AOK Nordost handelt es sich um ein systemisches Problem. Krankenkassen müssen sich auf die Angaben der Arbeitgeber verlassen, da eigene Prüfungen kaum vorgesehen sind. Dadurch entstehen teils über Jahre ungerechtfertigte Leistungsansprüche.
Strafverfolgungsbehörden berichten von organisierten Strukturen, in denen familiäre und wirtschaftliche Verflechtungen genutzt werden, um gegenseitige Beschäftigungsverhältnisse vorzutäuschen. In Berlin und Sachsen kam es bereits zu Verurteilungen, bei denen die Justiz den Kassen eine unzureichende Kontrolle vorwarf.
Der GKV-Spitzenverband fordert angesichts der wachsenden Schäden einen verbesserten Datenaustausch zwischen Behörden, Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern. Nur so könne die Solidargemeinschaft wirksam vor bandenmäßigem Betrug geschützt werden.
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