28. April 2025

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Snitch Nation – Der stille Krieg gegen unliebsame Äußerungen

 

Christina Maas

Vor nicht allzu langer Zeit klang die Vorstellung, dass die Regierung oder überhaupt jemand in Machtpositionen Menschen wegen ihrer Meinungen verfolgt, wie aus einem dystopischen Thriller. Doch es passiert längst – leise, bürokratisch – durch Systeme zur Überwachung und Meldung von „Voreingenommenheit“. Was einst auf Universitäten beschränkt war, um beleidigende Äußerungen zu markieren, hat sich auf das gesamte öffentliche Leben ausgedehnt. Heute können persönliche Meinungen protokolliert, überprüft und untersucht werden.

Darf ich vorstellen: das Bias Reporting System – einst das neurotische Lieblingsprojekt hyperaktiver Campus-Bürokraten, heute ein glänzendes Werkzeug der moralischen Überwachung, das sich nun seinen Platz im öffentlichen Raum erkämpft. Kein Nischenthema mehr für Schlafsäle und Gender-Seminare, sondern fester Bestandteil von Rathäusern, Bildungsprogrammen und Behörden. Mit dabei: vage Definitionen und ein unersättlicher Hunger nach moralischer Kontrolle.

Es ist, als hätte der McCarthyismus ein Genderseminar besucht – und gelernt, wie man ein Webformular erstellt.

Das Zeitalter des digitalen Denunziantentums

An der Western Washington University, wo die Natur schöner ist als das Recht auf Meinungsfreiheit, kann man für alles angezeigt werden, das „Voreingenommenheit“ zeigt. Was genau das bedeutet? Fragen Sie besser nicht. Oder doch – aber rechnen Sie mit einer 37-seitigen PowerPoint über Mikroaggressionen und einem Gespräch mit einem Bürokraten, der „intellektuelle Perspektive“ mit Hassrede verwechselt.

Diese Systeme versprechen „Inklusion“ – aber nur, wenn Ihre Meinung sich brav mit der aller anderen reimt. Die Definitionen sind so weich, dass Wackelpudding stabil wirkt. Man muss nicht gegen Regeln oder Gesetze verstoßen – es reicht, dass sich jemand unwohl fühlt.

  • Jemand fühlt sich beleidigt? Vorfall.
  • Jemand missversteht Ihren Sarkasmus? Vorurteil.
  • Falsches Adjektiv für die Farbe Beige? Packen Sie eine Zahnbürste ein.

Und das ist kein harmloser Campus-Zirkus. Diese Systeme sind häufig mit disziplinarischer Macht ausgestattet. Was Sie sagen, wird archiviert, markiert, geprüft – und vielleicht in einer Datenbank gespeichert, wie ein Treuepunkt im örtlichen Gulag für Meinungsfreiheit.

Warum bei Unis aufhören, wenn man das ganze Land „sensibilisieren“ kann?

Wie bei jedem guten autoritären Reflex war die Campus-Version nur der Pilotversuch. Jetzt geht es weiter – in der Kommunalverwaltung. Dieselben Mechanismen, die einst RA-Schulungen bestimmten, finden sich heute in steuerfinanzierten Programmen wieder.

Wir haben uns von „Wenn du etwas siehst, sag etwas“ zu „Wenn du etwas Unangenehmes hörst, schreib eine Novelle darüber und sende sie an die HR“ entwickelt. Städte stellen eigene Anti-Bias-Teams auf – denn nichts lieben Bürokratien mehr als die Möglichkeit, zwischenmenschliche Interaktionen zu überwachen wie ein sowjetischer Wachposten.

Ihr Stadtrat kann kein Schlagloch flicken – aber Ihren Tweet von 2021 untersucht er mit Eifer.

Freie Rede mit Nebenkosten

Hier geht es nicht um echten Schaden – sondern um Vibes. Die Botschaft: Wenn Ihre Meinung zu weit vom genehmigten Skript abweicht, behalten Sie sie besser für sich.

Die Folge: Selbstzensur. Menschen denken zweimal nach, bevor sie sprechen – nicht aus Anstand, sondern aus Angst, vor einem kafkaesken Känguru-Gericht zu landen.

Der Prozess ist die Strafe

Die Genialität dieser Systeme liegt nicht in ihren Resultaten – sondern in ihrem Theater. Sie brauchen kein Urteil zu fällen. Es genügt, dass Sie wissen: Sie können gemeldet werden. Und dann stehen Sie einem Fremden in Blazer mit Klemmbrett Rede und Antwort. Das reicht, damit Sie sich jeden Witz, jede ehrliche Meinung zweimal überlegen.

Das Ziel ist nicht Korrektur. Es ist Einschüchterung. Konformität durch permanente Mikrobedrohung.

Alles beginnt harmlos

Ein QR-Code am Schwarzen Brett: „Etwas gesehen? Sag etwas.“
Sieht aus wie Wachsamkeit, riecht nach Kontrolle. Ein dezentralisiertes Spitzelsystem mit lächelnden Gesichtern, das lockere Gespräche in Akten und Meinungen in rote Fahnen verwandelt.

Beispiel: Das New Yorker Bias Response Team ist offiziell keine Vollzugseinheit. Aber wenn Beschwerden eingehen, erscheinen Behördenvertreter, verteilen „Bildungsmaterial“ und machen klar, wer „die Grenze überschritten“ hat. Kein Abzeichen, aber institutionelle Macht – das reicht.

Anonyme Justiz, Schulversion

In Mason City, Ohio, können Schüler und Lehrer anonym wegen „voreingenommener“ Aussagen gemeldet werden – keine Regelverletzung nötig, nur ein subjektives Gefühl.

Es wird als „Kulturverbesserung“ verkauft. Tatsächlich wird jedes Klassenzimmer zum sozialen Minenfeld. Lehrer, die Themen abseits des Narrativs behandeln? Riskant. Ein Satz – und Sie sind ein Datenpunkt.

Gesetzlich erlaubt – praktisch geächtet

Rechtlich gilt: „Hassrede“ ist in den USA nicht verboten, solange sie keine Gewalt anstiftet oder Verleumdung ist. Aber in der Praxis zählt das kaum. Wird eine Beschwerde eingereicht, startet das System – ganz gleich, wie absurd der Fall.

Beispiel: UC San Diego – eine Studentenzeitung veröffentlichte eine Satire über „sichere Räume“. Beschwerden folgten. Die Uni fragte Anwälte, wie man die Rede „kreativ“ unterdrücken könne.

Die Bürokratisierung des Unbehagens

Institutionen behandeln subjektive Kränkungen wie reale Schäden. Wer gegen den moralischen Tageskonsens verstößt, wird verfolgt – auch ohne Gesetzesbruch.

Die Folge ist ein riesiges System, das Meinungen diszipliniert. Meinungsfreiheit ist kein Recht mehr, sondern ein Privileg für ideologisch Angepasste.

Illusion der Neutralität

Diese Programme geben sich unpolitisch – doch sie transportieren eine klare Weltanschauung darüber, welche Ideen sagbar sind – und welche nicht. Das ist keine Bildung. Es ist Konditionierung.

Philadelphia verlangt von Bürgern, die kein Gesetz gebrochen haben, die Teilnahme an „Sensibilitätstrainings“ – dezent als freiwillig getarnt. Aber die Botschaft ist klar: Sag etwas Falsches, und jemand kommt, um dich „neu auszurichten“.

Von der Toleranz zur Überwachung

Ob Stadt, Schule oder Hochschule – das Muster ist gleich:
Es beginnt mit Inklusionsslogans, führt über „digitale Hotlines“ und endet in institutionalisierter Sprachüberwachung.

Maryland etwa propagiert die Überwachung von Vorurteilen, weil sie „eventuell zu echten Verbrechen führen könnten“. Ein missglückter Witz wird dokumentiert – für den Fall der Fälle.

In Oregon reicht es schon, „kulturelle Normen zu imitieren“. Kein Gesetzesbruch – aber ein Eintrag.

Die neue Rechnung der Meinungsfreiheit

Was zählt, ist nicht Legalität – sondern soziale Akzeptanz. Und die wird durch ein Netz staatlich geförderter Spitzelsysteme durchgesetzt.

Du kannst sagen, was du willst – aber rechne nicht mit Anonymität, Rufschutz oder Seelenfrieden.

Die Feedbackschleife der Angst

In einem gesunden System braucht freie Rede keinen Disclaimer. Doch heute reicht schon die Möglichkeit, beobachtet zu werden, um Menschen zum Schweigen zu bringen.

Washington State verabschiedete im März 2024 heimlich ein Bias-Reporting-Gesetz, nachdem ein erster Versuch gescheitert war. Keine Pressemitteilung – nur ein weiteres Puzzlestück in der Infrastruktur ideologischer Kontrolle.

Die schleichende Normalisierung

Gerichte warnen bereits: Bias Response Teams können Grundrechte verletzen – allein durch ihre Existenz.

Doch die Kultur marschiert weiter. Die Idee ist längst im öffentlichen Bewusstsein verankert – vom Campus bis zur Schulbehörde.

Die meisten Menschen lesen keine Urteile. Was sie sehen, ist ein QR-Code mit „Bias hier melden“. Was sie hören, ist, dass der Nachbar wegen eines Kommentars beim Schulrat angerufen wurde. Was sie fühlen, ist: Besser nichts sagen.

Fazit

Diese Systeme sagen nicht, was sie mit deinem Namen machen. Sie sagen nicht, wie lange sie deine Daten speichern. Sie versprechen nur eines: Jemand wird es überprüfen. Und das reicht, um dich zum Schweigen zu bringen.

Das ist der Punkt, an dem Angst zur Institution wird.

 

 

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