Zwischen Entwarnung …
Der Bundesverband Solarwirtschaft erwartet für den Sommer jedoch Werte beim Solarstrom, die „nicht […] viel höher liegen als die circa 40 GW“ von Anfang März. Dazu führte Körnig mehrere Argumente auf. „Zum einen sinkt die Leistung einer Solaranlage bei höheren Temperaturen, zum anderen wird Spitzenleistung bei Kleinanlagen vor Ort gespeichert“, so der Hauptgeschäftsführer.
Ebenso würden die Marktbedingungen bei Stromüberschuss, wie negative Strompreise, dafür sorgen, dass die Anlagen in der Direktvermarktung dann keinen Strom einspeisen. „Als letzter Schritt bleibt es den Netzbetreibern auch möglich, Leistung abzuregeln“, erklärte Körnig.
Diese Abregelungen geschehen in den Sommermonaten bereits regelmäßig. So musste allein die Bayernwerk Netz AG im ersten Halbjahr 2024 mehr als drei Millionen Mal wegen zu viel Solarstrom im Netz Solaranlagen drosseln oder komplett abschalten.
Hinzu kommt laut dem Bundesverband, dass die meisten Photovoltaikanlagen heute schon gesetzlich verpflichtend steuerbar sind. Das gelte für rund 63 GW der gut 100 GW installierter Leistung in Deutschland. „Die verbleibende [installierte] Photovoltaikleistung von 37 GW speist maximal 22 GW Leistung gleichzeitig ins Netz“, teilte Körnig mit. Unterschiedlich ausgerichtete Anlagen und lokal variierende Gegebenheiten vermeiden, dass die installierte Leistung wirklich erreicht wird.
Diesen Umstand bestätigte auch die Bundesnetzagentur. Auf Anfrage der Epoch Times teilte uns die Pressesprecherin Nadia Affani mit: „Im Ergebnis kommen nur rund sechzig Prozent der installierten Leistung im Stromnetz und im Strommarkt an.“
… und „Stress im Netz“
Anders als der Bundesverband betrachtet die Bundesnetzagentur die Lage schon etwas kritischer. „Die Tatsache, dass nicht alle Solaranlagen auf das Strompreissignal reagieren, kann in der Zukunft tatsächlich zu Stress im Netz führen“, sagte Affani. Das bedeutet, dass bei Überangebot an (Solar-)Strom der Börsenstrompreis Richtung null oder gar ins Negative fällt. Das ist das finanzielle Signal beziehungsweise der Anreiz für die Anlagenbetreiber, zu dieser Zeit besser keinen Strom einzuspeisen.
Gewisse Bedenken herrschen auch bei den großen Netzbetreibern. Diese äußerte TenneT, der größte Übertragungsnetzbetreiber Deutschlands, gegenüber Epoch Times. Zwar sei das Stromnetz auf die solaren Erzeugungsspitzen vorbereitet, doch deren Steuerung „wird anspruchsvoller“, so Elena Richter, Pressesprecherin des Konzerns.
Bezüglich der Steuerung von Anlagen sieht TenneT „noch deutliches Verbesserungspotenzial, insbesondere im Bereich kleinerer dezentraler Anlagen.“
Zudem warnte sie: „Entscheidend ist eine enge Koordination zwischen Netz- und Anlagenbetreibern, um Netzengpässe zu vermeiden und die Systemstabilität zu gewährleisten.“ Demnach kann das deutsche Stromsystem ins Wanken geraten, wenn diese „enge Koordination“ nicht besteht.
Um die steigenden Anforderungen zu meistern, ist laut Richter eine Kurskorrektur nötig. „Wir müssen jetzt handeln – mit konsequentem Netzausbau und steuerbaren Kraftwerken, um die Versorgung langfristig zu sichern“, sagte sie.
Solarspitzengesetz
Die Bundesregierung hat die Gefahr von Erzeugungsspitzen durch Solaranlagen bereits erkannt und deswegen das Solarspitzengesetz beschlossen. Es trat am 25. Februar 2025 in Kraft. Betroffen sind lediglich neue Photovoltaikanlagen.
Das Gesetz soll dafür sorgen, dass die solaren Erzeugungsspitzen in den Mittagsstunden niedriger ausfallen. Damit will der Gesetzgeber die Netzstabilität gewährleisten.
Die Bundesnetzagentur begrüßt den Beschluss. „Die Verpflichtung, die Anlagen steuerbar zu machen, wurde damit deutlich ausgeweitet“, sagte Affani.
Auch der Bundesverband Solarwirtschaft sieht Vorteile im Solarspitzengesetz. Dazu sagte Körnig: „Mit dem Solarspitzengesetz wurde […] die Grundlage für eine flexiblere Fahrweise von Speichern geschaffen.“ Seiner Aussage nach werden große Batteriespeicher „künftig eine immer wichtigere Rolle bei der Integration der Photovoltaik ins Stromsystem spielen“. Aktuell wächst die Gesamtspeicherkapazität in Deutschland kontinuierlich.
Speicheranlagen können hohe Erzeugungsspitzen im Strommarkt vermeiden. Die Speicherbetreiber profitieren von den niedrigen oder negativen Börsenstrompreisen zu den Erzeugungsspitzen zur Mittagszeit. Durch diesen starken Anreiz ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie den überschüssigen Strom „kaufen“ und einspeichern, wie auch die Bundesnetzagentur bestätigt.
Wie jeder Stromspitzen reduzieren könnte
Das Problem bei den Stromspitzen ist die hohe Differenz zwischen Stromerzeugung und -verbrauch. So könnten private Stromverbraucher ihren Stromverbrauch zur Mittagszeit erhöhen. So wäre eine Möglichkeit, Waschmaschine, Spülmaschine und andere Stromverbraucher, wenn möglich, in den Mittagsstunden laufen zu lassen anstatt morgens oder abends.
Eine Option könnte hierbei die Anschaffung größerer Verbraucher sein, wie eine Wärmepumpe oder ein Elektroauto. Allerdings könnte es dann in den Wintermonaten Strommangel geben, wenn die Anlage zu wenig produziert.
Das neu ausgerichtete Strommanagement wäre ebenfalls eine Überlegung für das Gewerbe und die Industrie. Die Bundesnetzagentur hat bereits an die Industrie appelliert, ihren Stromverbrauch flexibler zu gestalten. Das bedeutet, die Betriebe sollten ihre Produktion bei höherem Stromangebot im Netz künftig hochfahren und bei Strommangel die Produktion drosseln oder ganz stoppen. Allerdings ist dies nicht bei allen Industriebetrieben möglich.
Wer eine neue Solaranlage zu bauen plant, kann diese anstatt nach Süden auszurichten, nach Ost und West ausrichten. Das senkt ebenfalls die solare Stromproduktion zur Mittagszeit.
Mit einem Heimspeichersystem könnten Solarbesitzer zudem ihre Anlage so einstellen, dass die Batterien bis zum späten Vormittag weitestgehend entleert sind. So kann die Anlage auf dem Dach beispielsweise mit dem Solarstrom von 11 Uhr bis 13 Uhr die Batterien laden, anstatt ihn ins öffentliche Netz zu leiten. Möglich wäre bei Bedarf auch eine Erhöhung der Speicherkapazität durch weitere Batterien. Den Solarstrom können die Bewohner dann in den Abendstunden selbst nutzen und/oder ins Stromnetz einspeisen.