6. März 2025

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Trumps Konfrontationskurs: Das Ende des geeinten geopolitischen “Westens”?

 

Ein dramatischer Eklat im Oval Office könnte als historischer Wendepunkt in die Geschichte eingehen. Die Nachwirkungen der hitzigen Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump, Vizepräsident JD Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am vergangenen Freitag sind noch immer zu spüren.

“Die Zeit spielt auf dem Schlachtfeld nicht zu Ihren Gunsten”, erklärte der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Michael Waltz, gegenüber Reportern über seine Worte an Selenskyj nach dem Eklat, wie die Washington Post berichtet. “Die Zeit spielt nicht zu Ihren Gunsten, was die Weltlage betrifft, und vor allem ist die Geduld der US-Steuerzahler nicht unbegrenzt.” Diese Konfrontation hat “die sich vertiefende Kluft zwischen Europa und der Trump-Administration sowie der Republikanischen Partei offengelegt, wodurch US-Hilfen für die Ukraine, das Ende des Krieges in Europa und die Aussicht auf eine erneuerte Beziehung” zwischen Trump und Selenskyj gefährdet werden.

Die Tragweite reicht jedoch weit darüber hinaus. Unter der vorherigen Biden-Administration war der Ukraine-Krieg ein einigender Moment für den geopolitischen “Westen” – jene Nationen und Institutionen, die seit Jahrzehnten das transatlantische Bündnis prägen. Die Vereinigten Staaten erhöhten nicht nur ihre Hilfen für die Ukraine, sondern koordinierten auch Europas Reaktion. Die NATO stärkte ihre Fähigkeiten und ihre Zusammenarbeit. Die Europäische Union nahm Millionen ukrainischer Flüchtlinge auf und stellte enorme finanzielle Hilfen für Kiew bereit, während westliche Führungspersönlichkeiten gemeinsame Werte bei der Verteidigung der ukrainischen Souveränität und bedrängten Demokratie hochhielten (so zumindest das Narrativ).

 

Ende der trauten Eintracht?

Diese Unterstützung mag weitergehen, jedoch möglicherweise ohne Trump, der den traditionellen Partnerschaften der USA nie viel Bedeutung beigemessen hat. Er betrachtet die Europäische Union als Bedrohung amerikanischer Interessen und die NATO als einen Club säumiger Juniorpartner. “Heute wurde klar, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht”, erklärte Kaja Kallas, die oberste Diplomatin der Europäischen Union und ehemalige estnische Premierministerin, am Freitag. “Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.” Der Größenwahn in den “Vereinigten Staaten von Europa” blüht offenbar auf, wie kritische Kommentatoren feststellten.

“Jetzt ist der Moment, Ruhe zu bewahren, aber nicht weiterzumachen wie bisher”, schrieb Camille Grand, ein Politikexperte des European Council on Foreign Relations und ehemaliger hochrangiger NATO-Beamter, in den sozialen Medien. “Der US-Verbündete hat nun offiziell beschlossen, eine Haltung einzunehmen, die mit unseren traditionell gemeinsamen Interessen und Werten unvereinbar ist. Dies mag vorübergehend oder dauerhaft sein, wird aber tiefgreifende und dauerhafte Konsequenzen haben.”

 

Koalition der Kriegswilligen

Europäische Länder, darunter große Staaten wie Großbritannien und Deutschland, bemühen sich, Erhöhungen der Verteidigungsausgaben zu beschleunigen, um der Ukraine zu “helfen” (eher: den Krieg am Laufen zu halten). Am Sonntag forderte der britische Premierminister Keir Starmer andere europäische Regierungen auf, ihre Streitkräfte zu vergrößern und sich “einer ‘Koalition der Willigen’ anzuschließen, um die Lücke in der Ukraine zu füllen”, während er Selenskyj und andere Staats- und Regierungschefs des Kontinents empfing.

Doch es könnte noch viel mehr zu kompensieren geben, wenn die Trump-Administration ihre längerfristigen Pläne umsetzt, US-Streitkräfte in Europa im Rahmen einer breiteren strategischen Verlagerung in den indopazifischen Raum zu reduzieren. “Ich mache mir Sorgen, angesichts, offen gesagt, Präsident Trumps wechselhafter Natur”, sagte Nigel Gould-Davies, ein ehemaliger britischer Diplomat und Senior Fellow am International Institute for Strategic Studies, “wie viel Vertrauen Europa wirklich in jeglichen Grad amerikanischen Schutzes und amerikanischer Verteidigung haben kann.”

Jenseits des Atlantiks befürchtet man einen Zusammenbruch eines vereinten Westens – und Schuld daran sei allein Donald Trump. “Trumps Rhetorik verschmilzt mit jener [des russischen Präsidenten Wladimir] Putins”, behauptete Le Monde-Kolumnist Alain Frachon. “In weniger als zwei Wochen haben sich die Zugeständnisse an Moskau gehäuft. Selbst wenn sie seit Joe Bidens Amtszeit bereits in Vorbereitung waren: Keine Ukraine in der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO); keine NATO-Streitkräfte zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands; notwendige territoriale Zugeständnisse von Kiew.”

Die Ironie, so befanden einige Analysten, liege darin, dass das westliche Bündnissystem seit Jahrzehnten ein wichtiges Bollwerk für die Fähigkeit der Vereinigten Staaten war, globale Macht zu projizieren. “Nur einen Monat nach Trumps Vereidigungszeremonie und Amerika rast in Richtung strategischer Autonomie… von sich selbst”, spottete Kabir Taneja, ein indischer Außenpolitikanalyst, letzte Woche in den sozialen Medien.

 

Die Bevölkerung verortet die Bruchlinien anders

Die kriegsmüde Bevölkerung derweil befürwortet zu erheblichen Teilen die Linie von Donald Trump und sieht hinter der europäischen Kriegstreiberei Profit- und Machtinteressen, die nicht den Bürgern dienen – weder jenen in der Ukraine noch jenen in anderen europäischen Nationen oder EU-Staaten. Der Unterschied zwischen den USA und der EU wird zunehmend darin gesehen, dass unter Donald Trump der Wille des Souveräns wieder einen Wert hat, während er in der EU ignoriert und zum Schweigen gebracht werden soll.

Je stringenter Donald Trump umsetzt, was er seinen Wählern versprochen hatte (dazu gehörte ganz klar das Ende des verlorenen Krieges in der Ukraine), desto stärker könnte am Ende auch die Macht der Eurokraten ins Wanken geraten, die sich von demokratischen Grundprinzipien verabschieden und – so zeigt es aktuell die Union in Deutschland – gar das exakte Gegenteil von dem tun, womit man zuvor noch auf Stimmenfang gegangen war. Die Bruchlinien (und die dafür Verantwortlichen), die die Bevölkerung sieht, sind vielfach ganz andere als jene, die von jenen Regierenden angeprangert werden, die sich zuvor noch in beispielloser und regelrecht suizidal anmutender Weise den US-Demokraten unterworfen hatten.

Die jüngsten Ereignisse werfen in jedem Fall fundamentale Fragen auf: Steht der Westen als geopolitische Einheit vor dem Ende? Und welche Konsequenzen hätte dies für die globale Sicherheitsarchitektur, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich von der transatlantischen Partnerschaft geprägt wurde? Die Antworten auf diese Fragen könnten die internationale Politik für Jahrzehnte bestimmen.

 

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