14. November 2024

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Urteil rechtskräftig: Habeck muss geheime Atomkraft-Akten offenlegen

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FOCUS-online-Chefreporter

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sträubte sich vehement gegen die Herausgabe regierungsinterner Dokumente zur Atomkraft. Laut einem rechtskräftigen Gerichtsurteil muss er die Akten nun an Medien rausrücken. Die Folgen könnten erheblich sein.

Man darf annehmen, dass Robert Habeck (Grüne) nicht sonderlich amüsiert war, als am 14. Februar 2024 zwei Schreiben in sein Ministerium flatterten, 13 und 17 Seiten lang. Absender: Verwaltungsgericht Berlin. Gleichlautende Überschrift: „Urteil im Namen des Volkes“.

Die Schriftsätze mit den Aktenzeichen VG 2 K 302/22 und VG 2 K 51/23 bezogen sich auf einen schon länger schwelenden Rechtsstreit zwischen dem von Habeck geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und dem „Cicero“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sträubte sich vehement gegen die Herausgabe regierungsinterner Dokumente zur Atomkraft. Laut einem rechtskräftigen Gerichtsurteil muss er die Akten nun an Medien rausrücken. Die Folgen könnten erheblich sein.

Man darf annehmen, dass Robert Habeck (Grüne) nicht sonderlich amüsiert war, als am 14. Februar 2024 zwei Schreiben in sein Ministerium flatterten, 13 und 17 Seiten lang. Absender: Verwaltungsgericht Berlin. Gleichlautende Überschrift: „Urteil im Namen des Volkes“.

Die Schriftsätze mit den Aktenzeichen VG 2 K 302/22 und VG 2 K 51/23 bezogen sich auf einen schon länger schwelenden Rechtsstreit zwischen dem von Habeck geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und dem „Cicero“.

Ein Journalist des Magazins hatte das Ministerium bereits im Jahr 2022 aufgefordert, ihm bestimmte Dokumente auszuhändigen. Konkret ging es um Unterlagen zu der damals diskutierten Möglichkeit, deutsche Atomkraftwerke befristet weiterzubetreiben.

Der Redakteur berief sich auf das Umweltinformationsgesetz. Danach hat jede Person Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen staatlicher Stellen.

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„Cicero“ gegen Habeck: Erst mauern, dann streiten

Es passierte, was häufig passiert, wenn unabhängige Journalisten kritisch bei Behörden nachbohren und um Akteneinsicht bitten: Erst reagierten Habecks Leute gar nicht, dann speisten sie den „Cicero“-Mann mit ausgewählten Info-Häppchen ab. Entscheidende Aktenteile hielten sie zurück.

Ihre so fadenscheinige wie dreiste Begründung: „Vertraulichkeit“. Eine Offenlegung der Informationen hätte „nachteilige Auswirkungen“ auf Vorgänge im Ministerium, hieß es, deshalb überwiege das „Geheimhaltungsinteresse“.

Die insbesondere von den Grünen gern eingeforderte Transparenz – in diesem Fall offenbar kein Thema. Mit ihrer Mauer-Taktik kamen Habeck und dessen Mitarbeiter jedoch nicht durch. In zwei getrennten Verfahren verurteilte das Verwaltungsgericht Berlin das BMWK im Februar zur Offenlegung der angeforderten Atomkraft-Akten. Mittlerweile ist die vierwöchige Frist für das Einlegen von Rechtsmitteln abgelaufen.

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Gericht zu FOCUS online: Urteil ist rechtskräftig

„Die beiden Entscheidungen sind der Beklagten (dem Bundeswirtschaftsministerium, die Redaktion) am 14. Februar 2024 zugestellt worden, Rechtsmittel sind nicht eingelegt worden. Das bedeutet, dass die Urteile rechtskräftig sind“, so Gerichtssprecherin Anna Katharina von Oettingen zu FOCUS online. Auch das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte an diesem Montag, man habe „keine Berufung eingelegt“.

Im Klartext heißt das: Habecks Ministerium ist nunmehr „verpflichtet“ (Zitat aus dem Urteil), dem Journalisten alle erbetenen Unterlagen in Kopie auszuhändigen, wenn auch „ohne Namen, Titel, akademische Grade, Berufs- und Funktionsbezeichnungen, Anschriften und Telekommunikationsnummern“.

Bis auf die erlaubten Schwärzungen zu Personen dürfe das Ministerium nichts zurückhalten, stellte das Gericht in seinen beiden Urteilen fest, die FOCUS online vorliegen. Das betrifft sogar Dokumente, die als Verschlusssache („Nur für den Dienstgebrauch“) eingestuft sind.

Aber wie brisant sind die von Habeck bislang strikt zurückgehaltenen Informationen zur Atomkraft wirklich? Gab es womöglich abweichende Meinungen zur Anti-Atom-Politik der Hausspitze? Wurden interne Kritiker ignoriert oder gar „auf Kurs gebracht“?

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Warum fürchtet Habeck eine öffentliche Atom-Debatte?

Die Kernfrage jedoch lautet: Warum fürchtet der grüne Vizekanzler eine öffentliche Debatte rund um das, was in seinem Ministerium zu diesem wichtigen Thema diskutiert wurde? Immerhin warf das Ministerium dem klagenden Journalisten laut Gerichtsakten vor, ihm gehe es vor allem darum, „die Entscheidungen der Leitungsebene politisch zu hinterfragen und die begehrten Informationen in den politischen Diskurs einzuspeisen“.

Diese Haltung ist entlarvend, denn Regierungshandeln kritisch zu hinterfragen und Informationen in den politischen Diskurs einzubringen – genau das ist die Aufgabe unabhängiger Journalisten. Die von „Cicero“ angeforderten Unterlagen betreffen die nach Putins Einmarsch in die Ukraine 2022 aufgeflammte Debatte über die gefährdete Energieversorgung in Deutschland. Dabei diskutierte die Politik auch eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei deutschen Atomkraftwerke.

Im November 2022 beschloss der Bundestag schließlich eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes. Demnach konnten Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland noch bis zum 15. April 2023 weiterbetrieben werden.

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Diese Dokumente muss der Minister nun rausrücken

Vor welchen politischen und fachlichen Hintergründen diese bemerkenswerte Entscheidung zustande kam, könnte aus den Papieren hervorgehen, die das Wirtschaftsministerium nun veröffentlichen muss.

Nach FOCUS-online-Informationen handelt es sich unter anderem um:

  • Vermerke zur Rolle von Kernkraftwerken im System der deutschen Stromversorgung – einschließlich Bewertungen zur einzusparenden Strommenge, zu Gaseinsparungen, zu den rechtlichen Voraussetzungen und zu Alternativen.
  • Interne E-Mails zu strategisch-taktischen Überlegungen bzw. Bewertungen zum Thema Brennelemente.
  • E-Mails zwischen dem BMWK und Übertragungsnetzbetreibern bezüglich eines Stresstests, eine entsprechende Szenarienübersicht, Handlungsoptionen in Netzstresssituationen sowie ein Protokoll zum Datenaustausch.
  • Etliche Vermerke zur technischen und rechtlichen Bewertung eines Weiterbetriebs bzw. einer Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken.
  • Entwürfe eines Papiers zum möglichen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken, die auch Bewertungen zur Verhältnismäßigkeit der allgemeinen Risiken der Kernkraft zu einem möglichen Nutzen enthalten.
  • Papiere zur strategisch-taktischen Kommunikation zum weiteren Vorgehen bei der Schaffung einer AKW-Reserve.
  • Dokumente zu regierungsinternen Beratungen im Vorfeld von Gesprächen mit Betreibern von Kernkraftwerken und mögliche Optionen sowie technische und organisatorische Fragen.
  • Abstimmungen, wie sich die Bundesregierung zur Frage eines möglichen Weiterbetriebs der Kernkraftwerke positioniert.

Hinzu kommen E-Mails des damaligen Habeck-Staatssekretärs Patrick Graichen zum weiteren Vorgehen in der Atomkraft-Frage, Protokolle wichtiger Telefonkonferenzen sowie Schriftverkehr zwischen dem BWMK und der Bundesnetzagentur, anderen Ministerien und dem Bundeskanzleramt sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages. Jede Menge interessanter Stoff also.

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Gericht lässt „Nur für den Dienstgebrauch“ nicht gelten

Absolut bemerkenswert ist die Einschätzung des Berliner Verwaltungsgerichts zu den vom „Cicero“-Redakteur erbetenen Dokumenten „V 126“ und „V 127“. Beide Aktenteile sind als Verschlusssache gekennzeichnet und tragen den Vermerk „Nur für den Dienstgebrauch“. Doch davon ließ sich das Gericht nicht beeindrucken.

Eine „formale Einstufung“ von Informationen als Verschlusssache sei irrelevant. „Vielmehr kommt es darauf an, ob die materiellen Gründe für eine solche Einstufung noch vorliegen“, so das Gericht. Und das sei hier „nicht der Fall“.

Man darf gespannt sein, welche Erkenntnisse die bislang geheim gehaltenen Dokumente bringen. Allerdings zeigte schon die gerichtliche Auseinandersetzung: Die offizielle Haltung von Grünen und SPD, wonach das Thema Atomkraft in Deutschland endgültig erledigt sei, ist offenbar nur eine Seite der Medaille.

Denn laut Justizakten trugen Habecks Juristen während der mündlichen Verhandlung vor, dass die umstrittenen Unterlagen von 2022 „weiterhin aktuell und von Relevanz“ seien und „nicht abgeschlossenen Vorgänge“ beträfen.

So bestehe das Thema Kernenergie in Deutschland „politisch und medial fort“ und werde „auf Landes-, Bundes- und europapolitischer sowie auf internationaler Ebene diskutiert“.

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https://www.focus.de/finanzen/news/gerichtsentscheid-mit-folgen-urteil-gegen-habeck-rechtskraeftig-er-muss-geheime-atomkraft-akten-offenlegen_id_259835212.html

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