24. Februar 2025

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Verbietet Spanien nach 2030 den Massentourismus?

 

Spanien lebt von Südfrüchten und vom Tourismus. Was für Deutschland die Autoindustrie, ist für Spanien der Massentourismus.

Das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 ruiniert die Autoindustrie und eine Nachhaltigkeitsstrategie Spaniens 2030 des Spanischen Tourismusrats vom 20.10.22 beschädigt den spanischen Tourismus. Beide Entwicklungen gehen auf weltfremde Vorstellungen der Europäischen Union zurück. Die spanische Politik wird im deutschen Sprachraum aber kaum beachtet. Deshalb möchte der Verfasser diese Informationen hier anbieten.

Agenda der Europäischen Union

Auf der Webseite befindet sich die Mitteilung der Kommission vom 19.10.07: Agenda für einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Tourismus. Sie soll erreichen, dass „… die Verfolgung unseres unmittelbaren Zieles … mit der Verwirklichung sozial- und umweltpolitischer Ziele einhergeht“

Der Punkt 2.1 konkretisiert die Ziele:

  • nachhaltige Erhaltung und Bewirtschaftung natürlicher und kultureller Ressourcen,
    (eine leere Worthülse, soweit sie nicht im nächsten Punkt enthalten ist)
  • Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung
    (Der Wasserverbrauch der Hotels ist ein Problem, das aber lokal und nicht von der EU gelöst werden muss. Die Landwirtschaft hat mit der Rückgewinnung des Kondenswassers in den Gewächshäusern schon viel geleistet. Bei Mülltrennung und Recycling hat Spanien noch Luft nach oben.)
  • Gestaltung des Wandels unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Belange
    („Wandel“ ist in der EU-Bürokratie ein anderes Wort für Abbau, für den es dann EU-Subventionen gegen soll, wie für die Flächenstilllegung in der Landwirtschaft.)
  • Verringerung der Saisonabhängigkeit der Nachfrage
    (Die arbeitende Bevölkerung soll also in ihrem Sommerurlaub nicht mehr verreisen.)
  • Bekämpfung der tourismusbedingten Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt
    (keine Flüge mehr, nur noch Bus und Bahn)
  • Erleichterung der Teilnahme aller am Tourismuserlebnis ohne Diskriminierung
    (Urlaub nur noch für LGBTQXYZ und Behinderte?)
  • qualitative Aufwertung der Arbeitsplätze im Tourismus
    (mehr Geld für das Personal und höhere Preise für die Kunden lassen die Nachfrage zusammenbrechen)

 

Spanische Konkretisierung

Spanien wird von einer Minderheitsregierung von PSOE und Sumar regiert. Die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) wird schon lange nicht mehr von den Arbeitern gewählt.

Sumar trat früher unter dem Namen „Unidos Podemos“ (UP) als Listenverbindung des nach Obamas „yes, we can“ benannten linksgrünen Bündnisses „podemos“ und der aus der Spanischen Kommunistischen Partei (PCE) hervorgegangenen Vereinigten Linken (Izquirda Unida – IU) an.

Auf einer Seite des sozialistisch geführten Tourismusministeriums, kann man die Konkretisierung dieser Vorgaben durch den Spanischen Tourismusrat vom 20.10.22 nachlesen. In den 8 Punkten der Nachhaltigkeitsstrategie Spaniens 2030 finden sich lauter grüne Worthülsen. In den Punkten 2 bis 4 werden die Ziele formuliert:

  • soziale Nachhaltigkeit zur Förderung der Erhaltung der natürlichen Umwelt, der Bräuche und der lokalen traditionellen Lebensweise
    (keine Schweinshaxe mit Sauerkraut, keinen Döner und keinen Hamburger mehr?)
  • ökologische Nachhaltigkeit um den ökologischen Fußabdruck des Sektors zu verringern
  • Verbesserung der Konnektivität, der Intermodalität und der touristischen Mobilität, um das Besuchererlebnis zu verbessern und gleichzeitig auf ökologische Herausforderungen zu reagieren.
    (Konnektivität ist die Verbindungsfähigkeit von sozialen Akteuren über Netzwerkmedien, Intermodaler Verkehr beschreibt eine mehrgliedrige Transportkette und betrifft sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr. Dieses Soziologen-Chinesisch sagt also, dass es keine Direktflüge geben soll, sondern dass die Touristen mit mehrfachem Umsteigen per Bus und Bahn anreisen und sich die Verbindungen im Internet heraussuchen sollen, was dann ihr Reiseerlebnis fördert, das sie in vollen Zügen genießen sollen.)

Die Forderung nach Erhaltung der … Bräuche und der lokalen traditionellen Lebensweise kann auch als Nationalismus gewertet werden. Die Bewohner der Touristengebiete werden nicht gefragt, ob sie ihre traditionellen Lebensweise und lokalen Bräuche pflegen wollen, oder ob sie Einflüsse der Touristen aufnehmen wollen.

Und die Lebensweise der nichtspanischen Einwohner ist natürlich nicht schutzwürdig. Während des Franco-Faschismus wurden zum Schutz der „traditionellen Lebensweise und lokalen Bräuche“ sowie der Moral lauter Touristen-Ghettos geschaffen, wie die Urbanisaciones Turisicas von Roquetas de Mar, 4 km südlich der eigentlichen Stadt. Hier leben jetzt auch viele Spanier in einer nicht-traditionellen Lebensweise und die Baulücke zwischen den Ortsteilen wurde längst geschlossen. Liegt es an der Sonne, dass die rot-grüne Politik inzwischen etwas gebräunt ist? Gegen diese Annahme spricht, dass die Farbe der Falange Española Jeans-Blau war; ihre Blauhemden waren denen der FDJ ähnlich.

Die Kundenwünsche

Es kommen nur sehr wenige Touristen nach Spanien, um in den Bergen zu wandern und Vögel zu beobachten. Produkte wie den „Sonnen- und Strandtourismus“ (Mar-y-Sol-Turismo), den die EU und die spanische Regierung überwinden wollen, nennt man im Marketing „Cash Cows“. Sie zu schlachten wäre töricht. Subventionen der EU können aber die am Markt erwirtschafteten Umsätze nicht ersetzen. Aber auch die deutsche Autoindustrie schlachtet ihre Cash Cows, die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Ihre Elektroautos sind der Konkurrenz aus China unterlegen.

Die Inseln, die (vorläufig?) vom Nachhaltigkeitskonzept ausgenommen sind, fühlen sich schon jetzt vom Tourismus überlastet. Mallorca versucht, die Ballermann-Touristen zu verdrängen und hochpreisiger zu werden. 18-20 Mio. Mallorca-Touristen bei 1 Mio. Einwohnern sind auch ein hoher Wert. Der Verfasser hat dieses Problem am 30.06.24 hier behandelt. Eigentlich sollten sich die Orte auf dem Festland als Ersatz anbieten und Party-Zonen für die vertriebenen „Ballermänner“ entwickeln. Wie die Politik mit dieser Chance umgeht, hat der Verfasser am 07.11.24 in diesem TK-Artikel  angesprochen.

Sein Wohnort, Roquetas de Mar am Golf von Almeria wurde ab 1967 für den Massentourismus ausgebaut. Er spielt aber immer in der Zweiten Liga. Südlich des Ortes entstand eine völlig neue Touristenstadt. Der traditionelle Ort wuchs, blieb aber eine normale spanische Stadt. Die Einwohnerzahl stieg von 13.000 in 1970 auf 105.000 in 2022. Zu Corona-Zeiten lag der Tourismus überall in Spanien danieder. Der nahe Flughafen von Almeria hat eine längere Landebahn als Ibiza, ist also für große Flugzeuge geeignet. Die Touristen müssen aber über Malaga anreisen. Die deutschen Reiseveranstalter hatten den Ort 2023 noch nicht im Angebot. Für 2024 hatte nur FTI Touristik den Ort im Programm. Mit seiner Insolvenz fehlten die deutschen Touristen nochmals, ein wirtschaftliches Desaster. Die Wirtschaft braucht dringend zusätzliche Kunden.

Ignorierte Chancen

Als es 2024 auf Mallorca und den Kanarischen Inseln zu touristenfeindlichen Protesten kam, hätte dies eine Steilvorlage für alle kleineren Touristenorte sein müssen, von denen es an der Costa del Sol noch ein paar mehr gibt. Der Bürgermeister hätte alle Akteure an einen Tisch bitten müssen, um eine Offensive zu starten, die vertriebenen Touristen aus Mallorca auszunehmen. Der Verfasser hat ihn damals angeschrieben, sich dabei als pensionierter Professor für Betriebswirtschaft vorgestellt und seine Hilfe angeboten.

Weiter hat er auch deutsche Reiseveranstalter angeschrieben. Der Leiter der Produktentwicklung eines Unternehmens telefonierte etwas länger mit ihm und bestätigte die Einschätzung, dass Roquetas de Mar als Mallorca-Ersatz eine Party-Meile benötige. Aktuell wolle sein Unternehmen die verunsicherten Mallorca-Urlauber auf Bulgarien und die Türkei umleiten. Von spanischer Seite gab es fast keine Reaktion. Nur eine ebenfalls angeschriebene Professorin für Tourismus antwortete, dass Spanien nur nachhaltigen Tourismus und keinen Massentourismus fördere. Die Tourismusförderung der EU konzentriert sich also auf dieses Segment, das am Markt nicht lebensfähig ist.

Aus dem Regionalfonds sind ebenfalls keine Mittel zu erwarten, denn das Hinterland bildet das größte Gemüseanbaugebiet Europas und der Nachbarort El Ejido, in dem die Eigentümer der Gewächshäuser wohnen, hat das höchste Durchschnittseinkommen Spaniens. Die Region ist also nicht strukturschwach. Zwischen dem Mittelmeer und dem Plastikmeer, wie der industrialisierte Gemüseanbau genannt wird, ist ein nachhaltiger Tourismus unmöglich. Hier kann nur der traditionelle Massentourismus funktionieren, für den der Ort auch vor über 50 Jahren gebaut wurde. Die Förderprogramme der EU sind für Roquetas de Mar also irrelevant.

Für die Party-Meile hätte es wohl auch keiner Gelder aus Brüssel bedurft. Der Verfasser ist Gesellschafter einer deutschen Immobilien-GmbH und er hat dafür eine interdisziplinäre Prüfung (Bauwesen, Recht, Wirtschaft) als zertifizierter Verwalter vor der Industrie- und Handelskammer abgelegt; ist also in diesen Themen nicht völlig unbedarft. Er hat ein paar geeignete Flächen gefunden, auf denen aktuell Gewächshäuser stehen.

Mit einem geänderten Bebauungsplan, der hier ein Gewerbegebiet mit Vergnügungsstätten unter Beachtung der Mindestabstände zu Wohngebieten vorsehen würde, hätten die Eigentümer über Nacht eine enorme Wertsteigerung realisiert. Die Gemüsebarone, die ihren Wohnort zur reichsten Gemeinde Spaniens gemacht haben, wären auch in der Lage, die nötigen Investitionen für einen „Bierkönig“ aus eigenen Mitteln zu finanzieren. In der Übergangszeit könnte die Stierkampfarena (englisch bullring), mit provisorischem Schallschutz ausgestattet, als Party-Location dienen. Sollte ein österreichischer Hersteller eines Energydrinks das Gebäude rot streichen und dort einen „red bullring“ schaffen wollen, könnte er für diese PR-Maßnahme tief in die Tasche greifen. Dass diese Chancen nicht ergriffen werden, muss politische Gründe haben.

Zur Beantwortung der Frage aus der Überschrift

Spanien wird den Massentourismus auf dem Festland nach 2030 wohl nicht schlagartig verbieten. Wahrscheinlich soll er aber ausgetrocknet werden, indem für wirtschaftlich notwendige Investitionen die Fortschreibung der Bebauungspläne und die Baugenehmigungen verweigert werden. So wie die deutschen Politiker die Industrie dem Klimagott opfern wollen, so könnte Spanien den Tourismus verkommen lassen. Statt die überlasteten Inseln mit Ausweichangeboten auf dem Festland zu entlasten, sieht man der Abwerbung der Kunden durch Bulgarien und der Türkei tatenlos zu.

Die spanischen Wähler könnten vielleicht noch rechtzeitig erkennen, dass die Ökotouristen, von denen Spanien in Zukunft leben soll, nur in der Phantasie der spanischen Politiker und der Brüsseler Bürokraten existieren, und dass diese Politik die wirtschaftliche Existenz der spanischen Mittelmeerküste ruinieren würde. Passiert das nicht, würden die Brüsseler Bürokratie höchstens mit Verspätung feststellen, dass sie mit der Zerstörung Spaniens den Massentourismus nicht beseitigt, sondern nur in andere Länder verlagert haben. Dann würde es neue Programme zur Verschwendung von Steuergeldern geben.

Verbietet Spanien nach 2030 den Massentourismus?