Vergleich des E-ID-Gesetzes
von 2020 und der neuen Vorlage von 2024:
Was hat sich geändert und wurde der Volksentscheid berücksichtigt? Ist jetzt irgendetwas besser?
Vorgeschichte und Ausgangslage: Das E-ID-Gesetz von 2020 wurde in der Volksabstimmung vom 7. März 2021 mit deutlicher Mehrheit von 65 % abgelehnt. Hauptkritikpunkte der Stimmbürger waren:
- Privatisierung: Die E-ID sollte von privaten Identitätsanbietern (IdP) herausgegeben werden, während der Staat lediglich Datenlieferant blieb.
- Datenschutzbedenken: Die Befürchtung, dass private Anbieter nicht ausreichend Datenschutz gewährleisten können.
- Vertrauensmangel: Viele sahen eine Überwachung durch Dritte oder Datenlecks als Risiko.
Mit diesen Erkenntnissen ging der Bundesrat in einen neuen Anlauf und präsentierte 2024 eine revidierte Vorlage, die nun ein staatliches System vorsieht. Am letzten Tag der Wintersession 2024 haben Stände- und Nationalrat in ihren Schlussabstimmungen das Bundesgesetz über die elektronische Identität und andere elektronische Nachweise verabschiedet . Da es sich bei diesem Tag um den 20. Dezember 2024 gehandelt, ist das vermutlich von vielen Schweizern im Weihnachtstrubel gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Wer wissen möchte, wer wie abgestimmt hat (was immer aufschlussreich ist), klicke auf diesen LINK.
Doch hat diese Überarbeitung die Bedenken der Stimmbürger wirklich beseitigt, oder handelt es sich eher um einen faulen Kompromiss? WIR vergleichen die beiden Gesetzestexte.
Kernunterschiede zwischen 2020 und 2024
1. Verantwortlichkeit für die Ausstellung der E-ID
- 2020: Das Konzept des Gesetzes von 2020 sah vor, dass private Anbieter, sogenannte Identitätsprovider (IdP), die E-ID herausgeben sollten. Der Staat wäre hierbei lediglich als Datenlieferant aufgetreten, der die Identitätsdaten zur Verfügung stellt, jedoch keine Kontrolle über die Herausgabe oder Nutzung der E-ID hätte. Diese Struktur wurde kritisiert, da die Verantwortung und Kontrolle für ein so sensibles Instrument in privater Hand lag, was Befürchtungen über Missbrauch und mangelnde Sicherheitsstandards hervorrief.
- 2024: In der neuen Vorlage übernimmt der Staat die alleinige Verantwortung für die Ausstellung der E-ID. Der Bund stellt sowohl die Infrastruktur als auch die operativen Prozesse bereit und bleibt somit zentraler Akteur. Dies soll sicherstellen, dass das Vertrauen der Bürger durch direkte staatliche Kontrolle gestärkt wird und die Risiken einer Privatisierung minimiert werden.
Erweiterte Bewertung: Diese Änderung adressiert einen der zentralen Kritikpunkte und verlagert die Verantwortung in staatliche Hände. Während dies prinzipiell als Verbesserung zu werten ist, bleibt dennoch die Frage offen, ob der Staat ausreichend Mittel und technologische Expertise besitzt, um eine solch komplexe Infrastruktur sicher und effizient zu betreiben. Eine staatliche Kontrolle allein garantiert nicht automatisch eine lückenlose Sicherheit oder Effizienz.
2. Datenschutz und Datenspeicherung
- 2020: Das damalige Gesetz enthielt keine umfassenden Bestimmungen, die explizit Datenschutzmechanismen wie Datensparsamkeit, dezentrale Speicherung oder „Privacy by Design“ betonten. Die Speicherung und Verarbeitung der Daten wäre zum grossen Teil von den privaten Anbietern geregelt worden, was die Befürchtung schürte, dass kommerzielle Interessen den Schutz personenbezogener Daten kompromittieren könnten.
- 2024: Die neue Vorlage legt erheblichen Wert auf Datenschutz und inkludiert Grundsätze wie „Privacy by Design“, Datensparsamkeit und eine dezentrale Speicherung. Das bedeutet, dass personenbezogene Daten möglichst minimal verarbeitet und vorzugsweise direkt auf den Endgeräten der Nutzer gespeichert werden, anstatt zentralisiert auf einem Server.
Erweiterte Bewertung: Diese Neuerung spiegelt moderne Datenschutzstandards wider und entspricht den Erwartungen einer datensensiblen Gesellschaft. Die dezentrale Speicherung ist technisch anspruchsvoll, jedoch ein entscheidender Schritt, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Kritisch bleibt, ob diese Ansätze in der Praxis konsequent umgesetzt werden können und ob der Staat tatsächlich in der Lage ist, Sicherheitsvorfälle und Datenmissbrauch zu verhindern.
3. Technologie und Infrastruktur
- 2020: Es fehlte eine klare Regelung darüber, wer die technische Infrastruktur kontrolliert und wie die Sicherheit der Systeme gewährleistet wird. Der Fokus lag auf der Bereitstellung durch private Anbieter, was zu einer Fragmentierung der Systeme hätte führen können.
- 2024: Der Bund übernimmt die Kontrolle über die gesamte Infrastruktur und gewährleistet, dass diese interoperabel ist und den internationalen Standards wie der eIDAS-Verordnung der EU entspricht. Dies soll sowohl die Sicherheit als auch die Akzeptanz fördern.
Erweiterte Bewertung: Die staatliche Kontrolle der Infrastruktur ist ein wichtiger Schritt, um Sicherheitsstandards zu etablieren und eine einheitliche Nutzung zu ermöglichen. Die Orientierung an internationalen Standards erleichtert zudem die grenzüberschreitende Nutzung. Dennoch besteht die Gefahr, dass die Schweiz dadurch in Abhängigkeit von EU-Vorgaben gerät und ihre digitale Souveränität einschränkt.
4. Kosten
- 2020: Es gab keine ausdrückliche Regelung zur Kostenfreiheit für Endnutzer. Viele befürchteten, dass die privaten Anbieter die E-ID kostenpflichtig machen könnten.
- 2024: Die neue Vorlage garantiert, dass die Ausstellung der E-ID für Privatpersonen kostenlos ist, was die Akzeptanz steigern soll. Zusätzlich wird die Finanzierung der Infrastruktur durch staatliche Mittel sichergestellt.
Erweiterte Bewertung: Die Kostenfreiheit für die Nutzer ist ein positiver Aspekt, doch die langfristige Finanzierung der Infrastruktur bleibt unklar. Kritiker könnten argumentieren, dass die Allgemeinheit über Steuern für ein System zahlt, das nur von einem Teil der Bevölkerung genutzt wird.
5. Freiwilligkeit und Nutzung
- 2020: Die Nutzung war offiziell freiwillig, jedoch wurden keine klaren Grenzen definiert, ob bestimmte Dienste die E-ID verpflichtend voraussetzen könnten.
- 2024: Auch in der neuen Vorlage bleibt die Nutzung freiwillig. Es wird jedoch eingeräumt, dass einige digitale Behördenleistungen ohne E-ID nur schwer zugänglich sein könnten.
Erweiterte Bewertung: Die „Freiwilligkeit“ ist eine schöne Absicht, doch in der Praxis könnte der Druck steigen, die E-ID zu nutzen, um Zugang zu wichtigen Dienstleistungen zu erhalten. Hier fehlt eine klare Regelung, die sicherstellt, dass auch ohne E-ID keine Bürger benachteiligt werden.
Wichtige Kritikpunkte an der neuen Vorlage
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Vergleich des E-ID-Gesetzes – von 2020 und der neuen Vorlage von 2024: