Sie haben die Rückenschmerzen Ihres Lebens und müssen dringend zum Orthopäden Ihres Vertrauens? Da gucken Sie in Deutschland ohnehin dumm aus der Wäsche, wenn Ihnen der nächste freie Termin in sechs Monaten angeboten wird. Die neue Bundesregierung möchte Ihnen nun aber auch noch vorschreiben, dass Sie gefälligst erst einmal einige Stunden in der überlaufenen Hausarztpraxis zubringen, damit der Allgemeinmediziner Ihnen den Gang zum Facharzt erlaubt. Ansonsten müssen Sie Strafe zahlen – horrende Beiträge zur Krankenversicherung hin oder her. Das befürwortet die Bundesärztekammer.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Im Koalitionspapier der AG Gesundheit und Pflege will man eine “schnellere Terminvergabe” im bröckelnden deutschen Gesundheitssystem dadurch erreichen, dass jeder, der zum Facharzt muss, zunächst einmal die “Primärärzte” – also die Hausärzte – belagern muss. Also jene Ärzte, die in vielen Städten und Orten mit der Behandlung allgemeinmedizinischer Probleme voll ausgelastet sind und aus gutem Grund einen Aufnahmestopp für neue Patienten verhängt haben. Ausnahmen soll es lediglich für Augenärzte und Gynäkologen geben.
Offenbar soll das auch für chronische Leiden gelten, denn im Papier heißt es: “Für Patientinnen und Patienten mit einer spezifischen schweren chronischen Erkrankung werden wir geeignete Lösungen erarbeiten (z.B. Jahresüberweisungen oder Fachinternist als steuernder Primärarzt im Einzelfall).” Muss jeder, der – etwa wegen neurologischer Leiden – alle paar Monate zum Facharzt seines Vertrauens zur Kontrolle gehen muss, dann auch erst zum Hausarzt dackeln und sich mindestens jährlich eine Überweisung holen? Würde die einfach vorn an der Rezeption ausgestellt werden, würde das das Konzept ja ad absurdum fühlen – die Notwendigkeit soll ja erst durch den Hausarzt überprüft werden. Vor allem die Säulen des deutschen Gesundheitssystems – also jene, die für harte Arbeit mit Maximalbeiträgen zur Krankenversicherung gestraft werden – haben ja auch extra viel Zeit zur Verfügung, nicht?
“Die Primärärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebene 116117 stellen den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin fest und legen den dafür notwendigen Zeitkorridor (Termingarantie) fest. Wir verpflichten die KV, diese Termine zu vermitteln.
Gelingt dies nicht, wird der Facharztzugang im Krankenhaus ambulant für diese Patientinnen und Patienten ermöglicht”, heißt es im Papier. 116117, das ist diese Hotline, die Sie in Deutschland anrufen können, damit man Ihnen nach einer halben Stunde in der Warteschleife wahlweise die Liste an Arztpraxen ausgibt, die Sie vor einer Stunde bereits gegoogelt haben, oder die Ihnen unumwunden mitteilt, dass man Ihnen bei Ihrem Anliegen leider nicht helfen kann (“um Orthopädentermine müssen Sie sich selbst kümmern”). Dass sich der Service verbessern wird, indem man den Mitarbeitern dort mehr Arbeit aufbürdet, darf bezweifelt werden. Am Ende wird man Patienten also einfach in die Kliniken schicken, wo sie sich zu den migrantischen Familienclans ins Wartezimmer gesellen können, in der Hoffnung, in den kommenden zehn Stunden womöglich für zwei Minuten einen Arzt zu sehen, der ihre Sprache spricht.
Neuauflage der Praxisgebühr?
Schon lange drängt sich der Verdacht einer gewissen Geschichtsvergessenheit in Deutschland auf. Doch nicht nur die sozialistische Diktatur könnte in Bälde Wiedergeburt feiern: Die deutsche Politik kann sich nicht einmal an die eigenen Fehler der vergangenen Jahrzehnte erinnern. In Deutschland wurde von 2004 bis 2012 eine sogenannte Praxisgebühr erhoben, die Patienten dazu bringen sollte, immer erst brav Überweisungen vom Hausarzt zu holen – sonst waren bei jedem Facharzttermin im Quartal aufs Neue 10 Euro fällig. Das Ganze bedeutete Wartezeiten, zusätzliche Sinnlos-Termine und natürlich völlig unnötige Wege für Patienten sowie Mehraufwand für die Arztpraxen. Die Abschaffung der Praxisgebühr wurde landesweit von Ärzten und Patienten begrüßt. Und jetzt kommen CDU/CSU und SPD daher und wollen den Schwachsinn mit leichter Abwandlung wieder einführen?
Dass die Bundesärztekammer diesen Vorstoß beklatscht, lässt tief blicken. Patienten sollen “nicht mehr willkürlich jede Versorgungsebene nach Gutdünken ansteuern können”. Und: „Wer auf eine Behandlung jenseits der ihm angebotenen Wege besteht, müsste sich dann auch selbst an den zusätzlichen Kosten beteiligen.“
Ärzte-Hopping wird weiter von der Allgemeinheit finanziert
Ach. Sind es etwa die deutschen Steuer- und Beitragszahler, die nichts Besseres zu tun haben, als lustiges Ärzte-Hopping zu betreiben? Eben nicht, die müssten sich dafür ja erst einmal freinehmen. Das sieht bei einer gewissen Klientel, die auf Kosten der Allgemeinheit das deutsche Gesundheitssystem auskostet, schon anders aus. Da hat man mangels Arbeitsplatz ganz viel Zeit, um Stunde um Stunde immer neue Wartezimmer zu belagern – ohne Sinn und Verstand, weil man mangels Sprachkenntnissen weder richtig mitteilen kann, was man hat, noch verstanden hat, wozu die fünf Ärzte zuvor geraten und angeleitet haben. Wo der schon länger hier lebende oder aber integrierte deutsche Staatsbürger Druck hat, schnell wieder einsatzbereit zu sein, verlaufen bei manch anderen zu viele Behandlungen einfach im Sande. Geld spült das aber trotzdem in die Kassen, weswegen sie als Patienten natürlich trotzdem gern gesehen sind.
Der Witz des Ganzen: Diese Klientel wird das schon fast hobbymäßig anmutende Ärzte-Hopping ohnehin weiter betreiben, denn für sie zahlt die Allgemeinheit. Diese Allgemeinheit wird auch die Strafzahlungen finanzieren. Der Präsident der Bundesärztekammer will nämlich eine “Selbstbeteiligung, die von den Versicherten mit den Kassen abzurechnen sei”, bis hin zu gestaffelten Kassentarifen, so die “Bild”. Wie sinnvoll, wenn die Schuldigen nichts selbst bezahlen. Die Dummen sind dann wieder einmal genau jene Menschen, die möglichst schnell behandelt werden wollen, um wieder auf der Arbeit erscheinen zu können. Wer das große Unglück hatte, im deutschen Gesundheitssystem zu arbeiten oder zumindest darauf angewiesen zu sein, fragt sich nur mehr eins: Geht’s noch?
Völlig irre: Deutsche, die schnell zum Facharzt wollen, sollen Strafe zahlen